Tabuthemen für Chinareisende

Wer allen Warnungen zum Trotz nach China reisen will oder muss, sollte zu seiner eigenen Sicherheit wie auch derjenigen seiner chinesischen Freunde einige Tabuthemen meiden.

von Maja Blumer, 27. August 2023

Die Risiken einer Chinareise muss jeder für sich selber abschätzen. Auf die Reisewarnungen verschiedener Länder, etwa der USA oder Deutschlands und dieim Kontrast dazu stehenden Reisehinweisen der Schweiz wurde bereits in einem früheren Blog hingewiesen. Einige Highlights hinsichtlich der seither erfolgten Updates:

Kanada (letzte Aktualisierung: 21.08.2023: «Exercise a high degree of caution in China due to the risk of arbitrary enforcement of local laws.» … «You shouldn’t expect internet privacy. Your communications may be monitored at any time, and authorities may review the content stored or consulted on your electronic devices.» … «Demonstrations are illegal without prior approval from the Chinese government. Authorized and unauthorized demonstrations can take place with little or no notice. They can quickly spread to surrounding areas, including those frequented by tourists. If you participate in or are witness to a demonstration, you may be subject to scrutiny and severe legal action.» … «An exit ban can relate to investigations into an individual, their family or an employer, and in criminal and civil matters, including business disputes.» … «You may not be aware that authorities have placed an exit ban on you until you try to leave the country. It is difficult to obtain information on bans from Chinese authorities.» … «Tensions on the neighbouring Korean Peninsula could escalate with little notice, and the security situation could deteriorate suddenly.»

Deutschland (letzte Aktualisierung: 14.08.2023): «In letzter Zeit nehmen Ausreisesperren gegen in China wohnhafte Ausländer zu. Auch deutsche Staatsangehörige waren in einigen Fällen betroffen. Ausreisesperren können insbesondere gegen Beteiligte oder Zeugen in Zivil- und Strafverfahren verhängt werden.» … «Der Süden und Südosten Chinas wird von Juni bis Oktober regelmäßig von Taifunen getroffen, die Überschwemmungen und gefährliche Erdrutsche verursachen können. Ausläufer von Taifunen erreichen aber auch den Norden und Nordosten Chinas und können dort zu Überschwemmungen führen.»

USA (letzte Aktualisierung: 30.06.2023): «Reconsider travel to Mainland China due to the arbitrary enforcement of local laws, including in relation to exit bans, and the risk of wrongful detentions

Schweiz (letzte Aktualisierung: 09.05.2023): «Die politische Lage kann als stabil bezeichnet werden.» … «Von nächtlichen Überlandfahrten in ländlichen Gebieten wird abgeraten.»

Bei dem Lagebericht des EDA muss man in Erinnerung rufen, dass die Frage von Nationalrätin Schneider-Schneiter «Wo ist die China-Kompetenz?» nach wie vor nicht befriedigend beantwortet wurde. Es ist sehr zu bezweifeln, dass je ein EDA-Mitarbeiter eine nächtliche Überlandfahrt in ländlichen Gebieten unternommen hat – im übrigen ein Erlebnis, dass ich persönlich nicht missen möchte, aber das ist Geschmacksache.

Auch bei Tageslicht für sicherheitsbewusste EDA-Mitarbeiter der Verkehr auf der Hauptstrasse eines Städtchens in der Provinz Shanxi wohl nicht so ganz das Wahre. Nachtfahrten über Land (von denen das EDA abrät) haben wenigstens den Vorteil, dass man die Rostlöcher in der Passagierkabine des Dreiradfahrzeugs nicht sieht. (Bild: privat)

Im Gegensatz zu den Schweizer Reisehinweisen, die sicher in einzelnen Punkten zutreffen, kann man die Reisehinweise anderer Staaten nicht so leicht ignorieren. Vor allem weil sich die diesbezüglich genannten Risiken nicht so leicht vermeiden lassen.

Erstens sind dies die geopolitischen Spannungen in die China involviert ist. Darüber, ob, wann, wo und wie sich diese entladen, streiten die Experten. Neben der First Island Chain bestehend aus Südkorea, Japan, Taiwan und den Philippinen ist die Lage in Indien (insbesondere bezüglich der «Line of Actual Control», kurz «LAC») und Pakistan (insbesondere bezüglich Belutschistan) äusserst instabil. Geopolitische Spannungen können insbesondere Flüge von/nach China negativ beeinflussen, bezüglich derer sich nur sehr langsam eine Entspannung abzeichnet, beispielsweise indem die Zahl der «Round Trips» zwischen China und den USA bis November auf 200 gesteigert werden soll – gegenüber 1’600 im August 2019.

Menschenansammlungen wie hier bei einem Konzert von Laienmusikern in einem Park in Beijing können harmlos sein. Oder je nach Kontext auch ein Protest.

Innenpolitisch ist die Lage in China unübersichtlicher als je zuvor. Es verschwinden längst nicht mehr nur Demonstranten oder Angehörige von Minderheiten in Xinjiang und Tibet, sondern auch hochrangige Politiker und Militärs, die als unbedingt loyal zu Präsident Xi Jinping galten. Es bestehen Anzeichen dafür, dass sich die chinesische Wirtschaft im freien Fall befindet, was das «Mandat des Himmels» von Xi Jinping bzw. der kommunistischen Partei in Frage gestellt werden könnte. Öffentliche Proteste waren in China schon immer an der Tagesordnung und Informationen darüber wurden schon immer unterdrückt. Beunruhigend ist aber der Grad der Verzweiflung, der bei den wenigen Beiträgen, die es noch in die sozialen Medien schaffen, ins Auge fällt. Mit dieser Verzweiflung einher geht eine zunehmende Gewaltbereitschaft. Die Hinweise auf das Risiko für Auslandsreisende, in Demonstrationen zu geraten, ist nicht zu unterschätzen. Insbesondere weil Menschenansammlungen nicht unbedingt als Demonstrationen erkennbar sind. Wenn plötzlich das Strassenschild der Wulumuqi-Strasse verschwindet und gleichzeitig eine Menge Leute auftaucht, hat das eine Bedeutung. Wenn Blumenläden an der «Qiqihar-Strasse» plötzlich geschlossen sind, hat das eine Bedeutung. Zahlenkombinationen wie 7-20 haben eine Bedeutung.

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Überflutungen auch im Nordosten. Normalerweise halten die Staudämme, hier in der Nähe von Beijing, aber was, wenn nicht? (Bild: privat).

Dasselbe gilt für Katastrophen wie Überschwemmungen, auf die das deutsche Aussenministerium hinweist und wie sie sich etwa im vergangenen Monat in Hebei oder 2021 in Zhengzhou (20-7) ereignet haben. Auch mit einem chinesischen Chauffeur sind die Überlebenschancen innert Minuten gefluteten Tunnel jedenfalls geringer als bei einer «nächtlichen Überlandfahrt», auch wenn sich die entsprechenden Risiken für Chinareisende schwer abschätzbar sind.

Ein weiteres Risiko für Chinareisende ist, den Verdacht zu erwecken, ein ausländischer Spion oder Agitator zu sein. Dieses Risiko ist nicht nur mit dem verschärften Anti-Spionagegesetz und dem neuen Foreign Relations Law im vergangenen Juli gestiegen, sondern auch mit der aktuell laufenden Kampagne in der breiten Bevölkerung, (ausländische) Spione zu fangen. Immerhin hat es jeder China-Reisende in der Hand, das entsprechende Risiko etwas zu reduzieren, indem er einerseits Tabuthemen meidet und sich andererseits bewusst ist, dass jegliche Kommunikation überwacht wird.

Aber was sind die Tabuthemen? Dazu findet man in den entsprechenden Gesetzen keine Antwort. Neben den üblichen heiklen Themen wie Tienanmen (8964), Tibet, Xinjiang, Taiwan usw. zeichnen sich derzeit weitere Tabuthemen ab. Nicht abschliessend sind dies nach Auffassung des taiwanesischen Ministeriums für Festlandchina:

Die obigen Tabuthemen zu vermeiden ist nicht ganz einfach. Insbesondere Geschäftsreisende müssten sie eigentlich stellen können, um sich ein persönliches Bild von China machen zu können. Selbst für Privatreisende in China früher unverfängliche Fragen wie «Bist Du verheiratet?», «Wieviel verdienst Du?», «Was machen Deine Eltern?», «Hast Du Geschwister?» können schnell auf Abwege führen. Im Vorteil sind momentan diejenigen, die gar nicht über die nötigen Landes- und Sprachkenntnisse verfügen, um diese Fragen überhaupt diskutieren zu können.

Wer diese Tabufragen jedoch ignoriert, muss sich bewusst sein, dass er nicht nur seinen chinesischen Gesprächspartner in Schwierigkeiten bringen kann, sondern sich selbst strafbar machen kann, was wiederum zu Problemen bei der Ausreise führen kann, auf die selbst in den Schweizer Reisehinweisen ganz am Rande hingewiesen wird, ganz zu schweigen von Schwierigkeiten, beim nächsten Mal ein Einreisevisum zu bekommen bzw. ein Einladungsschreiben des chinesischen Gastgebers.


Dr. iur. Maja Blumer, LL.M (Tsinghua) hat an der Universität Bern, an der Tsinghua University in Beijing, an der Beijing Language and Culture University sowie an der National Chengchi University in Taipei studiert. Sie ist als Rechtsanwältni in der Schweiz tätig.