Taiwan öffnet seine Tore auch für Schweizer Touristen

Nachdem Taiwan vor rund seine Grenzen für Studenten und andere Kategorien von Besuchern geöffnet hat, ist es ab heute für Touristen und Geschäftsleute aus der Schweiz und zahlreichen anderen Ländern ab heute (12. September 2022) wieder möglich, visafrei nach Taiwan einzureisen.

von Maja Blumer, 12. September 2022 (Update vom 17. September)

Für wen & was gilt die visafreie Einreise

Die visafreie Einreise steht nach dem Merkblatt der taiwanesischen Aussenministeriums (es empfiehlt sich, dieses regelmässig zu konsultieren, falls man tatsächlich eine Reise plant) den Bürgern aller 26 Schengenstaaten und zahlreicher europäischer Staaten offen, namentlich aus folgenden 37 europäischen Ländern:

  • Andorra
  • Belgien
  • Bulgarien
  • Dänemark
  • Deutschland
  • Estland
  • Finnland
  • Frankreich
  • Griechenland
  • Grossbritannien
  • Irland
  • Island
  • Italien
  • Kroatien
  • Lettland
  • Liechtenstein
  • Litauen
  • Luxembourg
  • Malta
  • Monaco
  • Niederlande
  • Nordmazedonien
  • Norwegen
  • Österreich
  • Polen
  • Portugal
  • Rumänien
  • San Marino 
  • Schweden
  • Schweiz
  • Slovakei
  • Slovenien
  • Spanien
  • Tschechische Republik
  • Ungarn
  • Vatikanstaat
  • Zypern

Bürgern mit Pässen aus folgenden 12 Ländern in Übersee wird ebenfalls die visafreie Einreise gewährt:

  • Australien
  • Eswatini
  • Guatemala
  • Haiti
  • Honduras
  • Kanada
  • Marshall Islands
  • Neuseeland
  • Palau
  • Paraguay
  • Tuvalu
  • USA

Die Bürger aller anderen Ländern müssen sich bis auf weiteres um ein Visa bemühen oder vorerst auf Reisen nach Taiwan verzichten; das hat zwar bei gewissen Nachbarländern wie den Philippinen oder Singapore für Missstimmung gesorgt, es ist aber nun einmal so, dass jeder Staat souverän ist, zu entscheiden, wer zu welchen Bedingungen einreisen darf – vorbehältlich einer zwischenstaatlichen Vereinbarung. Abgesehen verfängt das Argument nicht, es seien nur den reichen und mächtigen Ländern Visafreiheit gewährt worden. Dass Länder wie die baltischen Staaten, die der Volksrepublik China die Stirn geboten haben und der Umstand, dass sich die Delegationen aus den USA, Frankreich und Deutschland sich bei der taiwanesischen Regierung derzeit die Klinke in die Hand geben, dürfte dagegen schon eine gewisse Rolle gespielt haben.

Die visafreie Einreise gilt nach dem bereits erwähnten Merkblatt für die Pflege von Geschäftsbeziehungen, Ausstellungen, Erkundungsreisen («fact-finding missions»), den internationalen Austausch, Besichtigungen, Familienbesuche und Besuche bei Freunden und Bekannten. Für alles andere braucht es wie üblich ein Visum.

Auch «fact-finding missions» sind für Bürger der Schweiz in Taiwan wieder möglich. Taiwanesische und ausländische Besucher auf dem Xiangshan auf der Suche nach dem schönsten Bild vom Wolkenkratzer Taipei 101 und dem Sonnenuntergang. (Bild: privat)

Die Fussangeln

Die grössten Hindernisse für einen Besuch in Taiwan gegenüber früher sind die Quarantänemassnahmen und Kontingente, die derzeit noch in Kraft sind. Update vom 17. September 2022: Inzwischen ist angekündigt, dass diese Schranken bis zum 10. Oktober 2022 (dem Nationalfeiertag der Republik China) schrittweise fallen sollen, insbesondere soll die Quarantäne und die Testpflicht für ankommende Passagiere aufgehoben werden. Was bleibt ist die Selbstkontrolle, wozu die Reisenden ein Testkit erhalten sollen. Weiterhin zu rechnen ist mit höheren bürokratischen Hürden (analog zu den USA ist nun vorgängig ein elektronisches Formular auszufüllen), inklusive gewisse (mögliche) Einschränkungen für Inhaber von Zweitpässen bzw. aufgrund des Geburtsorts und die Verfügbarkeit von (relativ) günstigen Flügen (die grössten beiden taiwanesischen Fluggesellschaften, China Airlines und Eva Air bieten keine Direktflüge in die Schweiz, sondern nur von/nach Frankfurt, Paris, London, Wien und Amsterdam bzw. je nachdem wie sich die Dinge entwickeln ab Ende Oktober/Anfang November von/nach Milano und München).

Von den vorerwähnten Fussangeln ist vielleicht ein besonderes Augenmerk auf den Geburtsort zu legen. Hier unterscheidet Taiwan gemäss dem bereits erwähnten Merkblatt des taiwanesischen Aussenministeriums bezüglich der Einreise in einigen Fällen zwischen Staatsbürgerschaft und Geburtsort. Dies gilt insbesondere für Inhaber von Pässen, die zwar einen der oben genannten Staatsbürgerschaften besitzen, aber in der Volksrepublik China geboren wurden. Die Schweiz wird nicht genannt, es hätte aber eine gewisse Logik, wenn diese Vorschrift in Anbetracht der gegenwärtigen Bedrohungslage unabhängig von der nominellen Staatsbürgerschaft angewandt wird. Da der Geburtsort im Schweizer Pass nicht eingetragen ist, wäre es vielleicht keine schlechte Idee, die entsprechende Geburtsurkunde vorsorglich bei der zuständigen Gemeinde zu bestellen, falls man eine Reise nach Taiwan plant.

Und falls immer noch Zweifel bestehen: die taiwanesische Botschaft bzw. das taiwanesische Konsulat in Bern, welche unter dem mysteriösen Namen Délégation culturelle et Économique de Taipei firmiert, weil das die offizielle Schweiz so verlangt, hat sich in der Vergangenheit in allen Fragen als äusserst freundlich, prompt und zuverlässig erwiesen.

Prädestiniert für Individualreisen – oder doch nicht?

Taiwan ist geradezu prädestiniert für Individualreisen. Erstens ist das Land von der Grösse her überblickbar (die Insel ist etwas kleiner als die Schweiz, ähnlich bergig aber dichter besiedelt), zweitens scheint wie in der Schweiz auch noch das hinterste und letzte Bergtal durch den öffentlichen Verkehr erschlossen, drittens trifft man an jeder Strassenecke eine hilfsbereite Person, und…

Bei diesem Punkt muss ich allerdings auch schon aufhören. Denn der Rest ist ehrlich gesagt «hörensagen» und ich kann diesbezüglich nur auf die einschlägigen Reiseführer verweisen, von denen ich ehrlich gesagt nicht einen einzigen konsultiert habe.

Selbst wenn der geographische Überblick zwischendurch verloren geht, auf den öffentlichen Verkehr und hilfsbereite Fremde ist in Taiwan Verlass. Mit zwei Zufallsbekanntschaften unterwegs in Taipei. (Bild: privat)

Das soll aber nicht heissen, dass es sich nicht lohnt, einen Reiseführer zu kaufen und zu studieren. Ich bin einfach nie dazu gekommen, weil ich in Taiwan so rasch so viele Bekanntschaften geschlossen habe, dass ich als eigentlich bekennende Individualreisende kaum je allein in Taiwan unterwegs war, sondern immer mit einer bunt zusammengewürfelten Schar von internationalen Gästen und taiwanesischen Freunden. Immerhin habe ich trotzdem, oder vielleicht deshalb, viel vom Land gesehen. Deshalb der Versuch, eine individuelle TopTen der Sehenswürdigkeiten in Taiwan zusammenzustellen:

  1. Für den Überblick: Taipei 101 von innen (Aussichtsplattform, Shoppingmall) und von aussen (Xiangshan).
  2. Für die Bildung: Die Eslite-Buchhandlung (der berühmte 24/7-Flagshipstore in Dunnan wurde leider 2020 geschlossen, Ersatz ist allerdings angekündigt), der Campus der Taiwan National University, der Präsidentenpalast, die Chiang Kai-shek Memorial Hall und das Nationale Palastmuseum.
  3. Für die Nostalgie: Die Pingxi-Eisenbahn, mit Halt an allen Stationen und Abstecher nach Jiufen.
  4. Für Religion&Kultur: Der Longshan Tempel in Taipei inklusive dem Besuch beim Wahrsager im Untergrund (wenn die obenerwähnte Geburtsurkunde nicht für die Einreise benötigt wird, dann wegen der Angabe der Geburtsstunde spätestens bei der Erstellung des Horoskops); das U-Theatre.
  5. Für die Szenerie: Küstenstrasse nach Hualien (für Autoliebhaber lohnt es sich, ein Auto zu mieten und zur Sicherheit einen internationalen Führerausweis mitzunehmen).
  6. Für die Natur: die zahlreichen Nationalparks, wenn es denn eine Auswahl sein muss, die Taroko Schlucht, auf dem Weg nach Hualien (Wanderliebhaber/Bergsteiger also unbedingt die entsprechende Ausrüstung einpacken und bei grösseren Touren Kontakt zu lokalen Wandergruppen suchen).
  7. Für den Tee: Degustation direkt auf einer der Teeplantagen auf dem Weg nach Hualien (siehe oben).
  8. Für den Kaffee: auf die Gefahr hin, tausenden von Kaffeeinhabern mit ihren gemütlichen Cafés Unrecht zu tun, Coffee Lovers Planet gehört für jeden Koffeinliebhaber zu den Investitionen in die Weiterbildung.
  9. Für den Magen: Dumplings von Din Tai Fung gehören ins Programm, natürlich nur im «Original» in Xinyi (nichts gegen die Filialen überall auf der ganzen Welt, es ist einfach nicht dasselbe). Ein Besuch auf einem Nachtmarkt ebenso (es muss nicht immer Stinktofu sein). Ein Besuch auf dem Fischmarkt auch. Snacks und Bier vom 7-Eleven oder Family Mart ist ein Muss…
  10. Für die Erholung: eine der heissen Quellen in Beitou, mein Favorit war hier ein kleiner Spa mit dem Namen «Poetry among the Trees», aber die Auswahl ist endlos, so dass ich mir eine Aufzählung. Danach ins Bett, hier empfehle ich private B&B wärmstens, die Auswahl ist hier auch endlos, auch wenn die Aktion der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen, bei der Youtube-Filmer eine Nacht im Präsidentenpalast verbringen durften, inzwischen abgeschlossen sein dürfte.
Für die Nostalgie: Station Jingtong an der Pingxi-Eisenbahnlinie. (Bild: privat)

Wie die obige Liste schon zeigt, die im Übrigen beliebig verlängert werden könnte, gibt es in Taiwan ziemlich viele Dinge zu sehen und zu tun. Es lohnt sich also, genügend Zeit einzuplanen.

Die Risiken

Trotz aller Verlockungen kommt man nicht umhin, sich über die Risiken einer Taiwanreise Gedanken zu machen. Grundsätzlich habe ich mich als Touristin kaum irgendwo auf der Welt so sicher gefühlt – sehr viel sicherer als in der Schweiz, selbst wenn ich z.B. spätabends allein im Taxi oder im öffentlichen Verkehr unterwegs war. Einzig die ständigen Erdbeben waren anfänglich etwas gewöhnungsbedürftig, andererseits sind sie so häufig, dass man davon ausgehen kann, dass die Taiwaner damit umgehen können. Und die Schlangen, die sich je nachdem quer über den Wanderweg schlängeln (ich glaube, sie haben Vortritt, habe aber nie gefragt). Wenn man die Spalte «Unglücke und Verbrechen» in den taiwanesischen Medien als Massstab, sind übrigens Wanderunfälle in Taiwan neben Badeunfällen relativ häufig. Es lohnt sich also, sich hier an die in den Bergen bzw. am Meer üblichen Vorsichtsmassnahmen zu halten.

Mehr Sorgen als Erdbeben bereitet mir das elektronisches Einreiseformular. Nun haben zwar fast alle Länder, welche die visafreie Einreise erlauben, solche Formulare. Allerdings war es mir ein bisschen wohler, als die Dinge sich noch im Flieger und handschriftlich erledigen liessen. Es werden zwar inzwischen rund um die Welt und rund um die Uhr Personendaten gesammelt, ohne dass man sich gross zur Wehr setzen könnte. Nur ist Taiwan insofern ein Spezialfall, als wohl keine Regierung dieser Welt so massiven Hackerangriffen ausgesetzt ist, wie diejenige der Republik China. Das elektronische Einreiseformular, auf welches die taiwanesische National Immigration Agency verlinkt hat stürzte jedenfalls gleich schon am Tag eins ab. Nach einem kurzen Lebenszeichen erfolgte ein Link auf eine Seite die vermeldete 網路填寫入國登記表申請網頁 / 系統正進行調整,暫停開放 (in etwa: das elektronische Einreiseformular wird angepasst und steht momentan nicht zur Verfügung).

Vielleicht wissen die Wahrsager mehr über die Risiken eines Krieges? Laterne beim Longshan Tempel. (Bild: privat)

Und damit wären wir auch beim vielleicht grössten Risiko, welches in den staatlichen Reisehinweisen nicht nur in der Schweiz sondern in fast allen Ländern verschwiegen wird: Das Risiko eines Krieges zwischen Taiwan und der Volksrepublik China. Die Einschätzungen von selbsternannten Experten reichen hier von Prognosen, die Volksrepublik China würde die gewaltsame Annektion Taiwans binnen weniger Tage in einem Blitzkrieg zur Wirklichkeit machen, weil die Insel angesichts der militärischen Übermacht nicht die geringste Chance habe, bis hin zu Experten, welche aufzeigen, dass Taiwan mit seinen Verbündeten (wozu längst nicht nur die USA zählen sind) ganz klar militärisch und wirtschaftlich weit überlegen sei, so dass sich die Volksrepublik China die Sache zweimal überlegen sollte. Es ist jedem selbst überlassen, sich zu diesen Risiken ein Bild zu machen und Fakten von Propaganda zu unterscheiden. Oder einen der Wahrsager im Longshan Tempel zu konsultieren, vielleicht wissen sie ja mehr.


Die Autorin Dr. iur Maja Blumer, Rechtsanwältin, LL.M. (Tsinghua), hat unter anderem von 2014 bis 2015 an der National Chengchi University in Taipei die chinesische Sprache studiert und das Land mehrfach bereist. Es ist allerdings sehr gut möglich, dass die obigen Angaben nicht mehr ganz aktuell sind, da der internationale Tourismus in Taiwan unter der langen Grenzschliessung (ab Ende 2019) gelitten hat.