Investitionsprüfgesetz a.k.a. «Lex China»: Zurück an den Absender

Heute ging die Vernehmlassungsfrist für den Vorentwurf für das Investitionsprüfgesetz bzw. das Investitionskontrollgesetz zu Ende, welche im Mai zu laufen begonnen hat. Die Vernehmlassung stiess in den Medien auf erstaunlich wenig Echo, wenn man bedenkt, dass das Parlament die Vorlage eines Gesetzesentwurfs entgegen dem Willen des Bundesrats verlangt hat. Ein Bundesrat, der sich nach wie vor mit Händen und Füssen gegen die «Lex China» wehrt, wie die Vorlage durchaus zu Recht genannt wird. Grund genug, den Vorentwurf näher unter die Lupe zu nehmen, auch wenn die Vernehmlassungsergebnisse bezüglich der Wenigen, die zur Vernehmlassung eingeladen wurden, noch ausstehen.

von Maja Blumer, 9. September 2022

Das Investitionsprüfgesetz geht auf die Motion 18.3021 Rieder mit dem Titel «Schutz der Wirtschaft durch Invesitionskontrollen zurück, welche am 17. Juni 2019 durch den Ständerat und am 3. März 2020 vom Nationalrat angenommen wurde[1]. Die Motion, welche durch den Walliser Ständerat Beat Rieder am 26. Februar 2018 eingereicht wurde, sah folgendes vor:

Der Bundesrat schafft die gesetzlichen Grundlagen für eine Investitionskontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Schweizer Unternehmen unter anderem, indem er eine Genehmigungsbehörde für die der Investitionskontrolle unterworfenen Geschäfte einsetzt.

Die Vorlage, welche der Bundesrat über vier Jahre später in die Vernehmlassung geschickt hat, ist gegenüber dem, was von Ständerat Rieder vorgeschlagen und in den Räten diskutiert wurde nicht mehr wiederzuerkennen. Das beginnt beim Titel.

«Veiled Swipe» vs. Dinge beim Namen nennen

Bereits im Titel des Gesetzesentwurfs fällt auf, dass hier durch das Hintertürchen ein Paradigmenwechsel versucht wird. War in der Motion 18.3021 Rieder von «Schutz der Schweizer Wirtschaft durch Investitionskontrollen» die Rede, spricht der Vorentwurf nun plötzlich von Investitionsprüfung[2]. Nun sind «prüfen» und «kontrollieren» zwei ähnliche Dinge, aber eben nicht dasselbe, darauf wird zurückzukommen sein. 

Was aber ist der Grund für den offensichtlichen Unwillen des Bundesrates, im Entwurf Dinge nicht beim Namen zu nennen?

Eine Ursache liegt für mich auf der Hand: Das Investitionskontrollgesetz, das nun plötzlich Investitionsprüfgesetz heissen soll, wurde informell, aber treffend, als «Lex China» bezeichnet. Anlass für die Motion Rieder war unter anderem die Übernahme von Syngenta durch ChemChina sowie Hainan Airlines mit ihren diversen Übernahmen auch in der Schweiz (u.a. Swissport, Gategroup, SR Technics etc.). ChemChina wurde inzwischen mit Sinochem zu einem noch gigantischeren Staatsunternehmen geformt und wurde von der amerikanischen Regierung 2020 in die Nähe der Volksbefreiungsarmee gerückt[3]Hainan Airlines hat nach einer wahren internationalen Übernahmeorgie[4] eine wenig überraschende[5] finanzielle und personelle Bruchlandung hingelegt[6].

Es ist zwar richtig, dass ein Gesetz nicht bezüglich eines bestimmten Landes geschaffen wird, sondern allgemein gilt, unabhängig davon, ob der Anlass problematische Investoren aus den USA[7], aus Russland[8] oder eben China ist, um einige Beispiele zu nennen. Das hindert aber nicht daran, aus der Geschichte zu lernen und diese Lehren in die Gesetzgebung einfliessen zu lassen, und zwar nicht nur bezüglich der naturgemäss beschränkten Erfahrungen in der Schweiz, sondern auch von Erfahrungen von anderen Ländern – die ihre Gesetze zur Kontrolle ausländischer Investitionen bezeichnenderweise allesamt verschärft haben bzw. vermehrt zur Anwendung bringen[9]. Der Bericht des WBF[10] nimmt nicht mit einer Silbe auf die Erfahrungen mit China Bezug, und auch bei der Rechtsfolgeabschätzung (RFA) wird praktisch jede Aussage zu China mit einem «aber» relativiert[11].

«Veiled Swipe», eine gegenüber China weitverbreitete aber wirkungslose Taktik, die in der Sendung von China Uncensored vom 15. June 2022 auf die Schippe genommen wird (https://www.youtube.com/watch?v=Q6k32Hlqcbc).

Liegt das etwa daran, dass man – nicht nur in der Schweiz – bezüglich China versucht, alles was als Kritik verstanden werden kann, derart verklausuliert darzustellen, bis niemand mehr versteht, was eigentlich gesagt werden soll, ausser vielleicht der Volksrepublik China selbst, dessen Reaktion auf einen solchen «Veiled Swipe» regelmässig ebenso heftig oder noch heftiger ausfällt, als wenn man die Dinge direkt beim Namen nennen würde[12]. Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Reaktionen auf die China-Strategie des Bundes oder auch diejenige auf die Reaktion des Bundesrates bezüglich des langersehnten Berichts der Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet betreffend die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang[13].

Wäre dem so, sollte auf derartige «Übungen» dringend verzichtet werden. Eine von Redeverboten durchsetzte Debatte über eine Gesetzesvorlage zu führen, ist sinnlos. 

Wieso «Prüfung» nicht dasselbe ist wie «Kontrolle»

Dass Prüfung und Kontrolle wie schon erwähnt nicht dasselbe sind und die Titeländerung bei der Bezeichnung der Vorlage sehr wohl relevant ist, müsste sich eigentlich auch einem juristischen Laien erschliessen, erst recht dem Gesetzgeber. Falls diesbezüglich gleichwohl Verwirrung bestehen sollte, ein Versuch, den Unterschied zu erläutern:

Geht es um die Prüfung, formuliert der Prüfer – in casu das SECO[14] – selbst, ob und was er prüfen will. Der Gesetzgeber kann den Prüfumfang und auch die Anforderungen an den Prüfer selbst zwar definieren, aber es bleiben naturgemäss Spielräume. Diese Spielräume sind im Vorentwurf zum Investitionsprüfgesetz extrem gross. Das gilt insbesondere für die Kriterien einer Genehmigung bzw. Nichtgenehmigung eines Investitionsvorhabens. Wie soll z.B. das SECO beurteilen können, ob «der ausländische Investor oder sein Heimatstaat versucht oder versucht hat, mittels Spionage Informationen über das inländische [sic!] Unternehmen zu erwerben» (Art. 5 Abs. 2 lit. b VE)? Eine Beschränkung auf eine blosse Prüfung wirkt sich allerdings nicht nur dann fatal aus, wenn der Prüfer nicht über das notwendige Wissen verfügt (was beim SECO bezüglich verbotener Spionage angenommen werden kann), sondern auch wenn das Instrumentarium für die Durchsetzung der aufgrund der Prüfung gebotenen Handlungen fehlt. Hier sind Massnahmen wie die Anordnung von Devestitionen (Art. 17 Abs. 2 VE) und Bussen (Art. 18 Abs. 1 VE) wie sie im Vorentwurf zum Investitionsprüfgesetz vorgesehen sind, untauglich. Sie werden typischerweise post factum angeordnet, also wenn der Schaden bereits eingetreten ist und das ausländische Unternehmen längst über alle Berge ist.

Kontrolle ist dagegen viel zielgerichteter. Bei einer Kontrolle definiert man nämlich nicht nur, was geprüft wird, sondern warum, und zwar im Hinblick auf die möglichen Folgen, welche die Prüfung im Hinblick auf das verfolgte Ziel habenmuss. Hier wäre im vorgenannten Beispiel nicht zu fragen, ob das ausländische Unternehmen in der Vergangenheit eine Spionagetätigkeit im Inland hat oder gegenwärtig ausübt, sondern ob eine solche Spionagetätigkeit in Zukunft zu befürchten ist – etwa indem man Präzedenzfälle in anderen Ländern beobachtet und ob es das Interesse der Schweiz (welches wiederum zu definieren wäre) es gebietet, eine solche Spionage präventiv zu verhindern.

Bei der Investitionskontrolle geht es in vielen Ländern auch um kritische Infrastruktur wie hier ein Staudamm in der Nähe von Beijing, aber nicht nur. (Bild: privat)

Beispiele für griffige Kontrollmechanismen gibt es anderswo nota bene zuhauf. Die Schweiz muss hier nicht das Rad neu erfinden. Südkorea sieht beispielsweise bezüglich der Investitionskontrolle eine generelle Meldepflicht für Investitionen ab einem bestimmten Schwellenwert (deren Nichtbeachtung durch Erschwernisse beim Repatriieren von Investitionen sanktioniert wird) sowie klar definierte Grenzen[15] für Beteiligungen in bestimmten Sektoren vor.

Dogmen vs. Realität

Der Vorentwurf basiert auf diversen Dogmen, namentlich ist im Erläuternden Bericht des WBF die Rede davon, die «Offenheit» gegenüber Investitionen aus dem Ausland könne «als eigentliches Erfolgsmodell bezeichnet werden»[16]. Die Belege für diese Behauptung werden dem Leser vorenthalten. Der «Zufluss von Kapital und Wissen» trage «zur Wertschöpfung sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei»[17], steht weiter zu lesen. Eine stringende Begründung für dieses Dogma findet man weder im Erläutenden Bericht noch in der sogenannten Regulierungsfolgeabschätzung (RFA). 

Insbesondere die in der Motion Rieder ins Feld geführten Gefährdungen im Sinne eines Verlusts von Know-how und Arbeitsplätzen sowie Wettbewerbsverzerrungen wurden explizit gar nicht erst diskutiert[18]. Bezüglich der Möglichkeit, dass Übernahmen wie diejenige der Syngenta die nationale Sicherheit schwächen könnten, indem «fremde Staaten[19]» sich mit Schweizer Technologien militärisch aufrüsten können, werden Bedenken mit einem Handstreich vom Tisch gefegt. In diesem Fall wird a priori die Idee verworfen, dass eine Regulierung wie im vorliegenden Entwurf zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (womit eigentlich schon gesagt ist, dass der Vorentwurf untauglich ist); zudem wird betont, «offensichtliche Gefährdungen» hätten «wir in der Schweiz bislang nicht gesehen»[20]. Wer ist dieses «wir» – die Autoren, die Schweizer Behörden, der Nachrichtendienst des Bundes?

Man muss sich ernsthaft fragen, ob die Parlamentarier, die den Gesetzesentwurf entgegen dem Willen des Bundesrates verlangt haben, in der Meinung, dies diene dem Wirtschaftsstandort und der Sicherheit der Schweiz, für dumm verkauftwerden. Und ob die vielen Länder die an den Kontrollen ausländischer Investitionen festhalten – einschliesslich der Volksrepublik China –, so sehr auf dem Holzweg sind, wenn sie auf die «Vorteile» die sich die Schweiz aufgrund ihrer «Offenheit» verspricht, verzichten.

Wäre es vielleicht nicht angezeigt gewesen, sich mit den Gründen dieser Parlamentarier und Länder vertieft auseinanderzusetzen?   

Eine Lehre könnten wir direkt von Deng Xiaoping und seiner Öffnungspolitik in der Volksrepublik China übernehmen, eine Politik, die ganz bewusst auf ausländische Investitionen (insbesondere das Transfer von Know-how abzielte), bei gleichzeitiger Wahrung der Kontrolle abzielte. Deng Xiaoping sagte diesbezüglich 1979 zu Bundesrat Honegger[21]: «In der Politik muss man weit vorausschauen und nicht nur das sehen, was unter der Nase liegt.»  Wenn «wir» uns bezüglich der Lex China nur auf die obenerwähnten «offensichtlichen Gefährdungen» konzentrieren und annehmen, das «Erfolgsmodell» der Vergangenheit sei tel quel auf China gleichermassen anwendbar, werden wir mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die Nase fallen.

Ein Grund, der insbesondere in der Volksrepublik China für Restriktionen bei Auslandsinvestitionen und auch Kapitalverkehrskontrollen immer wieder genannt wird, sind die Zu- und Abflüsse von «Hot Money», die als wesentliche Ursache der Asiatischen Finanzkrise betrachtet werden und damit auch für die bis heute für Korea traumatische Erfahrung der Bevormundung durch den IMF – eine Erfahrung, die man in China um jeden Preis vermeiden will. Aber wie sieht es mit dem «Hot Money» in der Schweiz aus? Die Statistiken der Weltbank, welche die Zu- und Abflüsse ausländischer Direktinvestitionen im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt setzen[22] sehen absolut erschreckend aus. Mal machen die Zuflüsse von ausländischem Kapital mehr 20% des Bruttosozialprodukts aus, im Jahr darauf geht es um 180° in die andere Richtung, und das in den letzten Jahren immer extremer. Die Schweiz macht in dieser Hinsicht jeder Bananenrepublik Ehre. Keines der OECD-Länder, die Vorschriften zu Auslandsinvestitionen kennen, hat derartige Schwankungen zu verkraften.

Nettozuflüsse bzw. -abflüsse von ausländischen Direktinvestitionen in % des Bruttosozialprodukts (Quelle: The World Bank, https://data.worldbank.org/indicator/BX.KLT.DINV.WD.GD.ZS?locations=CN-CH-KR)

Ein dritter Punkt, der praktisch allen Ländern Sorge macht, ist der Verlust von Know-how. Der Erwerb geistigen Eigentums ist ein erklärtes Ziel der chinesischen Regierung, dem sich Unternehmen zu unterwerfen haben – ob es nun ein staatliches, staatsnahes oder «privates» Unternehmen ist, ob es ein ausländisches Unternehmen ist, das in China operieren will, oder ein unter chinesischer Herrschaft im Ausland operierendes Unternehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in jedem chinesischen Unternehmen ein Vertreter der chinesischen Kommunistischen Partei Einsitz nimmt, der über erheblichen Einfluss verfügt[23]. So sehr der Wunsch auf chinesischer Seite da ist, sich vom ausländischen Technologietransfer unabhängig zu machen, so sehr scheint China immer weiter von diesem Ziel abzurücken; weder der WTO-Beitritt noch ungeheure Investitionen in Bildung und Forschung noch die Devise von «Made in China 2025» scheinen daran etwas geändert zu haben. Dies hat zur Folge, dass die positiven Effekte von Auslandsinvestitionen für Firmenübernahmen durch chinesische Käufer nur eingeschränkt gelten[24].   

Das lange Warten auf chinesische Innovationen, die nicht vom Know-how ausländischer Unternehmen abhängig sind (Serpentza, Why China Can’t Make Chips, 7. September 2022, https://www.youtube.com/watch?v=nKURE05_RPI)

Es gälte also, von Dogmen der Vergangenheit Abschied zu nehmen und vorausschauende Vorsorge für aktuelle Probleme zu treffen, die sich nicht einfach von selber in Luft auflösen werden, statt anzunehmen, es seien bezüglich China die gleichen Erfolge zu erwarten wie man sie bezüglich der Auslandinvestitionen aus anderen Ländern verzeichnet hat.

Ansehen der Schweiz als wichtiges Rechtsgut

Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass eine Investitionskontrolle so ausgestaltet werden muss, dass sie mit der Bundesverfassung und den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist. Das gilt allerdings nicht nur bezüglich bilateralen Abkommen wie dem Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik China von 2014 oder dem Freundschaftsvertrag mit der Republik China von 1918 sowie multilateralen Verträgen wie z.B. dem Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), sondern auch bezüglich anderweitiger völkerrechtlicher Verpflichtungen. Dass es möglich ist, diese völkerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, ergibt sich schon daraus, dass zahlreiche OECD-Länder selber Investitionskontrollen haben. Es kämpfen in dieser Hinsicht die meisten Länder mit gleich langen Spiessen um ausländische Direktinvestitionen bei gleichzeitiger Wahrung ihrer Interessen. Bei ihrem «Race to the Bottom» steht die Schweiz alleine da.

Gerade diesbezüglich ging in der Vorlage ein Aspekt vergessen. Ein Rechtsgut, dass es zu schützen gilt, ist das Vertrauen in Behörden und das Ansehen der Schweiz. Es handelt sich dabei um in der Verfassung nicht explizit aufgeführte Schutzgüter, die aber gleichwohl in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der behördlichen Anordnungen und die Kommunikation mit dem Ausland von grösster Bedeutung sind[25]. Nicht nur die Regulierung der Investitionskontrolle hat in diesem Zusammenhang Folgen (welchen mit der Regulierungsfolgenabschätzung Rechnung getragen wurde), sondern auch das (fortgesetzte) laissez faire.

Einem Ergebnis einer solchen «Nichtregulierungsabschätzung» bzw. der Prüfung der Folgen einer «zahnlosen» Investitionsprüfung soll nicht vorgegriffen werden. Es sind aber zweierlei Dinge zu befürchten:

Erstens dürfte es in der Schweizer Wirtschaftswelt auf wenig Verständnis stossen, wenn einfach hingenommen wird, dass chinesische Staatsunternehmen mit scheinbar unerschöpflichen finanziellen Mitteln ohne Rücksicht auf Verluste und aus obskuren Motiven landauf und landab Schweizer Firmen aufkaufen können und ihre Konkurrenten, die sich an die Schweizer Regeln halten, vom Markt fegen können. Wenn für Schweizer Unternehmen nicht die gleichen Regeln gelten, stehen sie vor der Wahl, entweder diese Regeln zu missachten oder aber in Länder abzuwandern, wo die Regeln nachvollziehbar sind. 

Chinesische Drachen können harmlos sein, wie dieser in der Nähe von Beijing – oder auch nicht, das ist nicht so sicher. Sicher ist dagegen, dass chinesische Unternehmen Schweizer Konkurrenten ohne Rücksicht auf Verluste vom Markt fegen können. (Bild: privat)

Zweitens ist absehbar, dass Länder wie die USA, Grossbritannien, Mitgliedstaaten der EU usw, welche Investitionen aus China kontrollieren, nicht tolerieren werden, dass chinesische Unternehmen unter dem Schutzmäntelchen einer Schweizer Firma auf ihrem Territorium operieren. Der Schweiz blieben damit, wenn sie ihr internationales Ansehen nicht gefährden will, nichts anderes als der berühmte «autonome Nachvollzug», wie wir ihn z.B. bezüglich des Kriegs in der Ukraine gesehen haben, oder die totale Isolation, wie in den 40er und 50er Jahren.

Fazit: Zurück an den Absender

Bezüglich einer Vorlage, die Probleme ignoriert, auf Dogmen statt Fakten aufbaut, den Willen des Parlaments ausser acht lässt, ebenso die Erfahrung aus anderen Ländern einschliesslich China, gibt es meines Erachtens eigentlich nur eine Lösung: zurück an den Absender zur raschen totalen Überarbeitung entsprechend dem Auftrag des Parlaments.


Die Autorin, Dr. iur. Maja Blumer, LL.M. (Tsinghua), Rechtsanwältin, hat nach ihrem Studienabschluss in der Schweiz an der Tsinghua University in Beijing chinesisches Recht studiert (LL.M. 2009) sowie an der Beijing Language and Culture University bzw. an der National Chengchi University in Taipei die chinesische Sprache studiert. Die vorliegend vertretenen Ansichten geben die private Meinung der Autorin wieder und decken sich nicht notwendigerweise mit der Meinung irgendeiner Partei, Regierung oder Institution.


[1] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20183021.

[2] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-88884.html.

[3] Trump administration says Sinochem and others backed by Chinese Military, Reuters, 28. August 2020. (https://www.reuters.com/article/us-usa-china-military-idUSKBN25O2PT); ob diese Qualifikation zutreffend ist/war, lässt sich nicht beurteilen, Sinochem ist inzwischen wieder von der Sanktionsliste verschwunden.

[4] David Barboza, A Chinese Giant Is on a Global Buying Spree. Who’s Behind It?, New York Times, 9. Mai 2017

(https://www.nytimes.com/2017/05/09/business/hna-group-hainan-airlines-china-deals.html).

[5] Keith Bradsher und Sui-Lee Wee, In China, Herd of ‘Gray Rhinos’ Threatens Economy, New York Times, 23. Juli 2017 (https://www.nytimes.com/2017/07/23/business/china-economy-gray-rhinos.html).

[6] Eric Ng, Police detain HNA’s founder Chen Feng, CEO Adam Tan days after breaking one of China’s biggest conglomerates into four units, South China Morning Post, 24. September 2021 (https://www.scmp.com/business/companies/article/3150043/hnas-founder-chen-feng-chief-executive-adam-tan-xiaodong).

[7] Ein Beispiel aus den USA, in dem der Ruf der Schweiz als seriöser Finanzplatz ausgenutzt wurde, ist die Fondsvertriebsgesellschaft IOS des russisch-rumänisch-amerikanischen Hochstaplers Bernie Cornfeld, der in den 1970er Jahren vor allem deutsche Anleger um viele Milliarden «erleichterte» (Frank Fabian, Fake News, München 2019, S. 139 ff.).

[8] Ein Beispiel aus Russland sind die Gesellschaften Nordstream AG und Nordstream 2 AG, welche von Zug aus operierten und weder personell noch aufgrund ihrer Zweckbestimmung den geringsten Bezug zur Schweiz aufwiesen, aber im Bezug auf den Ukrainekrieg eine wichtige Rolle spielen.

[9] Ein Beispiel ist z.B. Grossbritannien, wo die chinesischen Investitionen ein Thema im Wahlkampf zwischen Rishi Sunak und Liz Truss war (Chinese investment in Britain is under the microscope, The Economist, 28. Juli 2022). Die Problematik der Tätigkeit chinesischer Unternehmen auf dem amerikanischen Markt ist im Film «The China Hustle» (https://www.youtube.com/watch?v=O-EM4J0POZw) dokumentiert.

[10] WBF, Bundesgesetz über die Prüfung ausländischer Investitionen, Erläuternder Bericht vom 18. Mai 2022.

[11] Vgl. Niclas Meyer, Markus Braun und Christopher Huddleston, RFA zur Einführung einer Investitionsprüfung, Bern 2022, S. 1 («Zahl der chinesischen Zukäufe…jedoch), S. 12 («China folgt erst…»), S. 15 («Vertreter der Investitionskontrollstellen…berichteten jedoch … nur selten»), S. 16 («China ist jedoch nicht das einzige Land…»), S. 17 («Von einer Gefährdung lässt sich…aber nicht ausgehen») usw. Ohne Kritik am Verfasser der Studie üben zu wollen, muss ich doch darauf hinweisen, dass vielleicht bei der Wahl der Autoren vielleicht eine gewisse wissenschaftliche Ausgewogenheit naheliegend wäre und neben dezidiert chinafreundlichen Autoren wie Markus Braun auch kritische Standpunkte einzubeziehen wären (https://www.zhaw.ch/en/about-us/person/brau/).

[12] Naheliegenderweise kann es beleidigend sein, wenn man mit der Gegenseite spricht, als sei sie ein etwas begriffsstutziges Kind. Oder wie es der Sprecher des chinesischen Aussenministeriums Zhao Lijian ausgedrückt hat: «Jemanden wecken zu wollen, der nur so tut, als ob er schläft, ist aussichtslos.» (Pressekonferenz des chinesischen Aussenministeriums vom 30. Mai 2022, https://www.youtube.com/watch?v=FVEwFrxCnYI).

[13] http://ch.china-embassy.gov.cn/ger/dssghd_2/202209/t20220902_10759370.htm

[14] Ob dies der Idee einer «Genehmigungsbehörde» im Sinne der Motion Rieder entspricht, bleibe dahingestellt. Zu prüfen wäre, ob der «Lead» in Anbetracht der in Frage stehenden Sicherheitsinteressen nicht besser beim Nachrichtendienst des Bundes anzusiedeln wäre, da dieser am ehesten noch über die sicherheitsrelevanten Informationen verfügt.

[15] Im Gegensatz dazu die Begriffe, die im Vorentwurf (VE) zum Investitionsprüfgesetz verwendet werden (Art. 3 VE) und die Aufgreif- und Eingriffskriterien (Art. 4 und 5 VE) ausgesprochen unklar und widersprüchlich.

[16] WBF, Bundesgesetz über die Prüfung ausländischer Investitionen, Erläuternder Bericht vom 18. Mai 2022, S. 2.

[17] WBF, Bundesgesetz über die Prüfung ausländischer Investitionen, Erläuternder Bericht vom 18. Mai 2022, S. 2.

[18] Niclas Meyer, Markus Braun und Christopher Huddleston, RFA zur Einführung einer Investitionsprüfung, Bern 2022, S. 14.

[19] Wieder ein «Veiled Swipe»: hier geht es tatsächlich um die Volksrepublik China bzw. ChemChina/Sinochem, die wie gesagt in den USA zeitweise in die Nähe der Volksbefreiungsarmee gerückt wurden. Anzumerken ist, dass ChemChina/Sinochem indirekt auch die Maschinenfabrik Netstal AG übernommen hat, wobei 2020 Verkaufsgerüchte kursierten. Das 2018 von der Börse genommene Unternehmen Syngenta soll noch vor Jahresende in Shanghai an die Börse gehen; denkbar wäre, dass Syngenta danach wieder an der Schweizer Börse gelistet würde, allerdings unter Anwendbarkeit der chinesischen Regeln bezüglich Rechnungslegung und dgl. Was mit Syngenta Schweiz und seinen 2’800 hiesigen Arbeitsplätzen würde, wenn Syngenta zu einem definitiv chinesischen Unternehem mutiert, ist nicht bekannt.

[20] Niclas Meyer, Markus Braun und Christopher Huddleston, RFA zur Einführung einer Investitionsprüfung, Bern 2022, S. 17, Fn. 9.

[21] China-Reise Delegation Bundesrat Honegger, Gespräch mit Vize-Ministerpräsident Deng Xiaoping, Montag, 19. März 1979, 10.00 bis 11.21, Volkshalle Peking (www.dodis.ch/52762).

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[23] Vgl. dazu Maja Blumer, Chinesisches Unternehmensrecht zwischen Kommunismus und Kapitalismus, AJP 2015, 235 ff. 

[24] Vgl. dazu Jürgen Matthes, Technologietransfer durch Unternehmensübernahmen chinesischer Investoren, Wirtschaftsdienst 2020, S. 633 ff.

[25] Siehe dazu im Hinblick auf das Krisenmanagement Bundesamt für Bevölkerungsschutz, Katastrophen und Notlagen Schweiz – Technischer Risikobericht 2015, S. 11.