Direktflüge zwischen Zürich und Taipei ab 2026? (Teil 2)

In Teil 1 dieser Serie wurde aufgezeigt, dass Direktflüge zwischen Taiwan und der Schweiz derzeit nicht möglich sind, weil der Bundesrat eine Rechtsgrundlage für entsprechende Streckenrechte verneint. Wie aber könnte ganz konkret vorgegangen werden, um Direktflüge zwischen Zürich und Taipei schon ab 2026 zu ermöglichen? Und was wissen wir über diese Fluggesellschaft überhaupt, die bei der Schweizer Bundesverwaltung ihr Interesse angemeldet hat?

von Maja Blumer, 27. Juni 2025

Der Weg zu einer Direktflugverbindung nach Taiwan ab 2026: Gesicht wahren – Gesicht geben

Besteht doch noch Hoffnung für eine Direktflugverbindung zwischen der Schweiz und Taiwan ab 2026?

Um diese Frage beantworten zu können müsste man wissen, wie es zur Behauptung des Bundesrates gekommen ist, dass keine rechtliche Grundlage für Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz existieren.

Bewusstes Signal?

Es kann sein, dass die Antwort des Bundesrates dazu dienen sollte, zu signalisieren, dass man die Wiederaufnahme der Flugverbindung Taipei-Zürich auf gar keinen Fall auch nur in Betracht ziehen würde und der Hinweis auf die fehlende Rechtsgrundlage dazu dienen sollte, das Gesicht zu wahren, um vor allem gegenüber Exponenten aus der Schweizer Wirtschaft sagen zu können: «Wir haben alles Mögliche unternommen, eine Flugverbindung nach Taiwan zu ermöglichen, aber es ging einfach nicht.»

Das hätte sogar gegenüber der taiwanesischen Seite funktionieren können, wenn die potentiellen Interessentinnen aus Taiwan nicht ausgerechnet Starlux Airlines bzw. Eva Air gewesen wären und der Gründer und Verwaltungsratspräsident von Starlux nicht ausgerechnet Chang Kuo-wei hiesse und er nicht vorher Verwaltungsratspräsident von EVA Air gewesen wäre. Dummerweise wissen die Führungspersonen dieser Fluggesellschaften wohl besser über die Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz Bescheid, als sonst jemand. EVA Air war von 1991 bis 1995 massgeblich an der Schaffung der Fluglinie Zürich-Taipei beteiligt. Dass man bei den dazu geführten Gesprächen zwischen Taiwan und der Schweiz nie über die rechtlichen Grundlagen gesprochen hätte, ist höchst unwahrscheinlich.

Gegenüber dem taiwanesischen Interessenten zu erzählen, dass es keine Rechtsgrundlagen für Streckenrechte zwischen der Schweiz und Taiwan gebe, wäre das eine. Aber auch noch zu suggerieren, EVA Air bzw. Starlux seien selber schuld, wenn sie bislang keinen formellen Antrag auf die Erteilung von Streckenrechten gestellt hätten, geht doch etwas gar weit.

Den Führungskräften beider Fluggesellschaften, darunter Chang Kuo-wei, dürfte wohlbekannt sein dass Streckenrechte nicht auf einer Vereinbarung einer einzelnen Fluggesellschaft mit einem fremden Staat basieren. Schliesslich kennen sie die bilateralen Vereinbarungen Taiwans mit anderen Ländern, die EVA Air und Starlux seit 1991 bis heute Dutzende von internationalen Fluglinien ermöglichen. Und die beiden Fluggesellschaften und ihre Führungsperson dürften am ehesten noch wissen, wieso das Interesse an einer Neuverhandlung der (bestehenden) Streckenrechte nicht ganz normal an den schweizerischen Vertragspartner und auch nicht ganz normal via die taiwanesischen Behörden gegenüber dem Bundesamt für Zivilluftfahrt vorgetragen kann.

Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Interessenten aus Taiwan für dumm verkauft werden sollen.

Hanlon’s Razor: Besser nicht Böswilligkeit unterstellen  

Oft ist es besser «Hanlon’s Razor» zur Anwendung kommen zu lassen: Schreibe nicht der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend zu erklären ist!

Mit der (erfolglosen) Suche nach den Schuldigen für den Untergang der Swissair ging in der Schweiz viel rechtliches und wirtschaftliches Know-how verloren, wie man auch als kleines Land Direktverbindungen zu den wichtigsten Destinationen weltweit zu gewährleisten kann. Nur noch wenige dürften überhaupt wissen, welchen Beitrag zum Unternehmenserfolg der Swissair die von 1995 bis 2002 von der Swissair Asia betriebene Flugverbindung Zürich-Taipei geleistet hat. Nur noch wenige dürften wissen, wie schwierig bis unmöglich es für die Bundesbehörden wie die Swissair es in den Neunzigerjahren wahr, bestehende Vereinbarungen mit Hong Kong, der Volksrepublik China oder Japan wie gewünscht auszuweiten. Und welche Anstrengungen trotz beidseitigem guten Wille nötig waren, um mit Taiwan zu einer Einigung über die Streckenrechte zu kommen.

Es ist denkbar, dass die Beamten der Bundesverwaltung, welche die Antwort an Nationalrat Addor vorbereiten mussten, durch irgendeine Verkettung unglücklicher Umstände einfach nicht gemerkt haben, dass von 1991 bis 1995 Verhandlungen über Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz geführt wurden, dass es von 1995 bis 2002 eine entsprechende Flugverbindung gab und sogar bis 2007 eine eigens zur Bedienung dieser Strecke geschaffene Fluggesellschaft, die Swissair Asia. Auch dass der Bundesrat die Eckwerte der Verbindung Zürich/Genf-Taipei am 26. September 1994 definiert hat und den Vertragsentwurf vom 22. Dezember 1995 genehmigt hat, damit die Streckenrechte und die Swissair Asia überhaupt entstehen konnten, könnte irgendwie unter den Tisch gekehrt worden sein.

Denkbar ist auch, dass der Bundesrat hofft, ähnlich wie Deutschland 2023[1] mit Taiwan eine Vereinbarung über Streckenrechte abschliessen zu können, die formell in eine «Joint Declaration of Intent» gegossen wird, und nicht in ein «Agreement». Nur stellen die Vereinbarungen Deutschlands von 2001 und 2023 ein «Upgrade» gegenüber der Vereinbarung von 1993 dar. Die Schweiz akzeptiert dagegen offenbar nicht einmal den Status quo von 1995.

Wenn der Bundesrat seinen guten Willen demonstrieren will, tut er gut daran, sich nicht auf Hanlon’s Razor zu verlassen sondern zuzugeben, dass er bzw. ein subalterner Mitarbeiter sich geirrt haben und dass die Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz bestehen. Wenn er dazu noch Hand bieten würde, die bestehende Vereinbarung zu modernisieren, würde dies sogar einen ziemlich professionellen Eindruck machen. Dies umso mehr, als der Bundesrat sich an Deutschland, Grossbritannien oder Italien orientieren könnte, die vor nicht allzu langer Zeit die Streckenrechte erweitert haben. Oder, wenn es denn wirklich ein komplett neues Air Service Agreement sein müsste, an Finnland.

Wie die Wiedereröffnung der Strecke Taipei-Zürich schon 2026 ermöglicht werden könnte

Für die Wiederöffnung der Flugverbindung zwischen der Schweiz und Taiwan braucht es jedenfalls die Kooperation der (taiwanesischen) Fluggesellschaft, welche diese Strecke effektiv betreiben will, und eine minimale Kooperation der schweizerischen mit den taiwanesischen Behörden, selbst wenn sie sich darauf beschränken sollte, gegenseitig zu bestätigen, dass das in den diversen Gesprächen von 1992 bis 1994 Besprochene noch gilt.

Wie aber könnte der Bundesrats die Wiedereröffnung der Strecke Taipei-Zürich schon 2026 begünstigen, wenn er das wünschen sollte? Es bestehen verschiedene Wege, den Karren aus dem Dreck zu ziehen:

  • Der Bundesrat kann auf dem Dienstweg geeignete Mitarbeiter des Bundesamt für Zivilluftfahrts (BAZL) anweisen, die bekannten Rechtsgrundlagen einschliesslich der Entstehungsgeschichte der 1995 mit Zustimmung des Bundesrates erzielten Vereinbarung mit der taiwanesischen Seite sorgfältig zu prüfen, notwendigen Abklärungen hinsichtlich seither zu beachtender Rechtsänderungen umgehend zu treffen und zeitnah auf die Anfrage der taiwanesischen Fluggesellschaft zu reagieren bzw. falsche Antworten zu korrigieren. Ebenso liegt es nahe die Kommunikation der schweizerischen mit den taiwanesischen Luftfahrtbehörden soweit zu normalisieren, dass die notwendigen direkten Abreden zwischen den Behörden wie von 1992 bis 1994 möglich sind. Dasselbe Niveau zu erreichen, wie andere europäischen Länder, z.B. wie Finnland oder Italien, wäre natürlich auch wünschbar. Das BAZL muss bei alledem nur seine Pflichten wahrnehmen und möglichst den Amtsschimmel dabei nicht allzu sehr galoppieren lassen.
  • Der Bundesrat kann der Airline, die sich für die Wiederbelebung der Strecke bereit erklärt hat, und deren Führungspersonen, «Gesicht geben», was in Asien mindestens so wichtig ist wie «Gesicht wahren». Besonders wichtig ist das hinsichtlich der Familienunternehmen EVA Air und Starlux Airlines, wo es auch darum geht, das geistige Erbe des Gründers von EVA Air, Chang Yung-fa, zu bewahren.
  • Wie durch Staatssekretär Blankard im November 1992 bzw. durch Dr. Mühlemann und die Nationalratsdelegation im April 1994 kann das Interesse der Schweiz in Taiwan mit «inoffiziellen» Gesprächen mit hochrangigen Vertretern auf Behördenebene demonstriert werden. Staatssekretär Blankard wechselte höflichkeitshalber sogar mit dem taiwanesischen Premierminister ein paar Worte. Auch möglich ist es, durch den Beizug von Vertretern der Privatwirtschaft, Kunst, Sport oder Wissenschaft eine Basis für Verhandlungen zu legen. So begleiteten im November 1992 auch 15 nicht namentlich bekannte Privatpersonen Staatssekretär Blankard beim Besuch in Taipei, darunter die Vertreter der damals drei schweizerischen Grossbanken. Der deutsche Handelsminister reiste kurz darauf sogar mit einem Tross von 40 Wirtschaftsvertretern nach Taiwan.
  • Ob die «diversen Kanäle», die der Bundesrat angesprochen hat, die Gleichen sind, die schon 1991 bis 1994 zur erfolgreichen Inbetriebnahme der Fluglinie Zürich-Taipe geführt haben, ist unklar. Nachdem in diplomatischer Hinsicht von der Schweiz in den letzten Monaten und Jahren ziemlich viel Geschirr zerschlagen wurde, sollte den noch halbwegs funktionierenden Kommunikationsmöglichkeiten jedenfalls besondere Sorge getragen werden.
  • Die Lufthansa könnte eine ähnliche Rolle spielen, wie sie die Swissair von 1991 bis 2002 gespielt hat, nur diesmal mit dem Fokus auf die rein kommerziellen Interessen. Die Lufhansa und die zu ihr gehörende Swiss International Airlines AG könnten ein Interesse haben, nicht nur als Zubringer für Flüge ab München, Frankfurt, Milano und Rom zu dienen bzw. mit den dort schon etablierten taiwanesischen Fluggesellschaften um Marktanteile in Ostasien zu kämpfen, sondern die Flugstrecke Zürich-Taipei selber zu bedienen.
  • Know your customer: Zwei (von insgesamt 11) 5-Stern-Airlines der Welt – EVA Air und Starlux – und dazu noch einen Milliardär – Chang Kuo-wei – mit 35 Jahren Erfahrung im Airline-Business zu unterschätzen und ihnen zu unterstellen, sie hätten keine Ahnung von den rechtlichen Grundlage der Flugverbindung Schweiz-Taiwan, ist keine besonders gute Methode, die Rechtstreue und Neutralität der Schweiz unter Beweis zu stellen. Sich hier ein Bild zu verschaffen, mit wem man es eigentlich zu tun hat, könnte einem Reputationsschaden der Schweiz entgegenwirken.

Drei taiwanesische Fluggesellschaften als mögliche Interessenten

Die Schweiz wickelt den für die Wirtschaft wichtigen Interkontinentalverkehr seit rund zwei Jahrzehnten ausschliesslich mit ausländischen Unternehmen ab, die selber entscheiden, ob und wieviele Verbindungen sie in die Schweiz anbieten. Die flankierenden Massnahmen, die bei der Übernahme der Swiss International Airlines AG durch die Lufthansa vereinbart wurden, sind 2015 ausgelaufen.

Taiwan ist unter verschiedenen Aspekten wichtig für die Schweizer Wirtschaft. Es spielt deshalb schon eine Rolle, wem man die Flugverbindung Zürich–Taipei anvertraut, nachdem die Schweiz ganze 22 Jahre lang an der Aufgabe gescheitert ist, diese Strecke weiterzuführen bzw. wiederzubeleben. Die einzige Option, das schon vor 30 Jahren erreichte Ziel innert nützlicher Frist erneut zu erreichen, ist, die Hilfe einer taiwanesischen Fluggesellschaft zu akzeptieren. Es lohnt sich deshalb, sich mit den betreffenden Interessenten etwas näher auseinanderzusetzen. Und selbst wenn die Flugverbindung letztendlich nicht zustande kommen sollte, braucht man die Führungspersonen dieser Airlines nicht vor den Kopf zu stossen.

Wenn Nationalrat Addor von «einer Fluggesellschaft mit Sitz in Taiwan» spricht, die Interesse an einer Direktflugverbindung in die Schweiz signalisiert haben könnte, kommen grundsätzlich drei Fluggesellschaften in Frage, die Interkontinentalflüge anbieten: EVA Airways Corporation (長榮航空), China Airlines (中華航空) oder Starlux Airlines (星宇航空).

EVA Air

EVA Air ist eine taiwanesische Fluggesellschaft, die 1989 vom Schifffahrtsmagnaten Chang Yung-fa gegründet wurde. Sie ist seit 2001 an der taiwanesischen Börse kotiert. EVA Air gehört zur Evergreen Group und ist eine Schwestergesellschaft der 1968 gegründeten Evergreen Marine Corp., die mit einer der grössten Containerflotte der Welt zu den wichtigsten Akteuren im internationalen Seefrachtgeschäft zählt. EVA Air verfügt heute über etwa 87 Flugzeuge und um die 11’000 Mitarbeiter.

Chang Yung-fa (6. Oktober 1927–20. Januar 1916) war eine der einflussreichsten Figuren hinsichtlich der Globalisierung des Welthandels. Er setzte mit Evergreen Marine schon 1975 auf Containerschiffe und auf Destinationen, die vermeintlich ausserhalb der Reichweite eines Newcomers aus Taiwan lag, etwa indem er das Monopol der «Far Eastern Freight Conference» im Handel zwischen Europa und Ostasien brach. 1984 startete er im Hamburger Hafen den ersten «Round-the-World-Service» in der Containerschifffahrt. Für seine Verdienste, auch als Philantroph, wurde Chang Yung-fa u.a. in Deutschland das «Grosse Verdienstkreuz» zuerkannt[2], in Grossbritannien der Orden «Commander of the British Empire»[3], in Italien war er «Cavaliere di Gran Croce»[4], in den Niederlanden «Commander in the Order of Orange-Nassau» usw. usf.

Die Geschichte von EVA Air wurde schon von Beginn an wesentlich geprägt vom jüngsten Sohn und designierten Erben von Chang Yung-fa, Chang Kuo-wei (geboren 6. September 1970). 2016 hat K.W. Chang nach dem Tod seines Vaters seinen Sitz im Verwaltungsrat von EVA Air verloren und übt seither keinen offiziellen Einfluss auf die Geschäftsführung von EVA Air mehr aus, ist aber immer noch ein wichtiger Aktionär. Viel bedeutsamer ist die Rolle von K.W. Chang als Gründer von Starlux Airlines, auf ihn wird deshalb später eingegangen.

Die erste Interkontinentalverbindung von EVA Air war Wien, eine entsprechende Linie für den Passagierverkehr besteht schon seit Ende 1991. Zu den neuesten Zugängen bei den Flugverbindungen in Europa für Passagiere zählen München und Milano-Malpensa, welche im Herbst 2022 eröffnet wurden, zusammen mit Amsterdam, Paris und London kommt EVA Air auf sechs Direktflugverbindungen nach Europa[5]. In den USA soll im Herbst 2025 Dallas, Texas, der neueste Zugang sein. Damit hat EVA Air zusammen mit Boston, Chicago, Houston, Los Angeles, New York, San Francisco, Seattle und Washington in Nordamerika neun Passagierflugverbindungen[6].

Ein A330 von EVA Air am Flughafen Wien (Quelle: Maarten Visser from Capelle aan den IJssel, Nederland, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons)

Wie die Lufthansa, die Swiss oder die polnische Fluggesellschaft LOT ist EVA Air Mitglied der Star Alliance. Sie wurde an der Air Show in Paris im Juni 2025 zum 10. Jahr in Folge als «5-Stern-Airline» ausgezeichnet, einem Kreis von insgesamt 11 Fluggesellschaften, die sich dem Luxus verschrieben haben[7].

EVA Air hat bereits 1991 konkret Interesse angemeldet, Flüge zwischen Taiwan und der Schweiz anzubieten[8]. D.h. der Flughafen Zürich Kloten hätte bezüglich Direktflügen nach Taiwan praktisch gleichzeitig mit Wien an den Start gehen können, noch vor den grossen Konkurrenten Frankfurt, Paris und London, die erst im Sommer 1993 folgten. Ob und wie lange dieses Interesse von EVA Air anhielt, ist nicht bekannt. Seitens der Schweizer Behörden scheint die Idee auf wenig Gegenliebe gestossen zu haben. Es finden sich nach 1995 keine Hinweise, dass seitens der Schweiz jemals wieder über den Vorschlag von EVA Air gesprochen worden wäre, geschweige denn, dass man mit den Verantwortlichen von EVA Air das Gespräch gesucht hat.

Bereits fünf Jahre nach der Gründung wies EVA Air einen Profit aus und steigerte die Zahl seiner Maschinen von 3 im Jahr 1991 auf 31 im Jahr 1999[9]. Die stolze nationale Fluggesellschaft Swissair, die in dieser Zeit eine aggressive Wachstumsstrategie verfolgte und schliesslich in Liquiditätsnöte geriet, scheint auch dann nicht auf die Idee gekommen zu sein, mit EVA Air zu kooperieren oder wenigstens deren Geschäftsmodell zu studieren. Wahrscheinlich war die Strecke nach Taipei zu lukrativ, als dass die Swissair sie mit EVA Air hätte teilen wollen.

Als zwischen 2003 und 2007 die Swissair Asia endgültig versenkt wurde[10], kam EVA Air ebenfalls nicht zum Zug, obwohl es naheliegend gewesen wäre, dass sie die Strecke Taipei-Zürich nahtlos weiterbedient und vielleicht sogar die Leasingverpflichtungen hinsichtlich der bei den Passagieren beliebten Maschinen von Swissair Asia übernimmt.

Die MD-11 «Whisky Golf» (HB-IWG) der Swissair Asia beim Landeanflug auf Zürich, 1999 (Quelle: Aero Icarus from Zürich, Switzerland, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons)

Immerhin durfte die letzte MD-11 der Swissair Asia mit dem Kennzeichen HB-IWG, von Fans als «Whisky Golf» bezeichnet, doch noch einmal nach Asien fliegen. Sie wurde ab Mai 2002 in der Mojave-Wüste parkiert und in ihren alten Farben zuletzt im Oktober 2005 in Honolulu fotografiert[11], wahrscheinlich auf dem Weg nach Singapore, wo sie zu einer Frachtmaschine für UPS umgebaut bzw. umlackiert wurde[12]. Hier kam EVA Air vielleicht doch zum Zug: schon seit 1994 ist sie auch in der Wartung (MRO = maintenance, repair and overhaul) von Flugzeugen tätig und zählt UPS zu ihren Kunden; zufällig ist der Umbau von Passagier- zu Frachtmaschinen von Boeing (die McDonnell Douglas übernommen hat) seit 2005 eine der Spezialitäten von EVA Air[13]. Ob auch die «Whisky Golf» von EVA Air betreut wurde, ist nicht bekannt. Im Januar 2025 wurde sie stillgelegt.

Auch 2022 scheint Zürich-Kloten quasi als Mittellösung zwischen Milano und München nicht in Erwägung gezogen worden zu sein, als EVA Air erstmals seit 25 Jahren neue Direktflüge nach Europa anbot. Anders als in Deutschland und Italien fehlte es wohl an der Bereitschaft der Behörden, diesbezüglich mit der taiwanesischen Seite ins Gespräch zu kommen.

Dass die EVA Air nach über 30 Jahren wieder Interesse an der Destination Zürich angemeldet hat, ist insgesamt eher unwahrscheinlich.

China Airlines

Die taiwanesische Fluggesellschaft China Airlines (nicht zu verwechseln mit Air China, der staatlichen Fluggesellschaft der VR China) wurde am 16. Dezember 1959 gegründet, also noch zu Zeiten der Diktatur von Chiang Kai-shek. Sie ist seit 1993 börsenkotiert, der Staat hält inzwischen nur noch ca. 38% der Aktien.

China Airlines verfügt wie die EVA Air über ein dichtes Streckennetz in Asien wie auch im Interkontinentalverkehr, insbesondere nach Nordamerika. Per 31. Mai 2025 hatte die Fluggesellschaft 11’641 Mitarbeiter und 86 Flugzeuge[14].

In Europa fliegt China Airlines Amsterdam, London, Frankfurt, Prag, Wien und Rom an, hat also wie EVA Air sechs Flugstrecken. Frankfurt war ab Sommer 1993 die erste Destination von China Airlines in Europa, anfänglich wurde sie noch durch die Tochtergesellschaft Mandarin Airlines bedient. In Nordamerika sind es Los Angeles, Ontario (Kalifornien), San Francisco, Vancouver, New York und Seattle.

Eine Maschine von China Airlines am Flughafen in Frankfurt (Quelle: Cherubino, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons)

Wie Air France/KLM gehört China Airlines der Allianz Sky Team an, die Verbindungen nach Paris und Basel-Mulhouse (französische Seite) werden beispielsweise im Code-Sharing mit Air France betrieben.

Dass China Airlines letzthin erneut Interesse angemeldet hat, ist eher unwahrscheinlich. Aufgrund des Bundesratsbeschlusses vom 26. September 1994 und der gestützt darauf geschlossenen «rein kommerziellen» Vereinbarung» von ca. Januar 1995, die formell von der Swissair Asia AG und der Taipei Airlines Association (TAA) 1995 geschlossen wurde, ist China Airlines von der Bedienung der Strecke in die Schweiz ausdrücklich ausgeschlossen und dürfte diese nur via eine Tochtergesellschaft – Mandarin Air oder Tiger Airways – betreiben. Beide Töchter scheinen derzeit keine Ambitionen auf Langstreckenverbindungen zu haben. Der Bundesratsbeschluss könnte den Beschluss aufheben, er ist längst überholt.

Hierzu bräuchte es aber einen minimalen guten Willen des Bundesrates, hier selbst aktiv zu werden. Der Grund für den Ausschluss von China Airlines ist längst weggefallen. Dies war einerseits der Umstand, dass früher die taiwanesische Flagge prominent auf der Heckflosse von China Airlines erschien. Seit 1995 figuriert auf der Heckflosse eine Pflaumenblüte. Dies, um auch nach dem «Handover» über Hong Kong zu fliegen zu können. Seit Jahren fliegt China Airlines auch nach Festlandchina. Für die Swissair dürfte störend gewesen sein, dass China Airlines über Hong Kong fliegen durfte und viele Destinationen in Europa nach einem Zwischenstopp in Hong Kong bediente, während die Swissair dort bezüglich der Ausweitung der Streckenrechte jahrelang auf Granit biss. Entsprechend wurde 1995 Hong Kong als Zwischenstopp für alle Fluggesellschaften, die die Strecke zwischen Taiwan und der Schweiz bedienen durften, ausgeschlossen.

Mandarin Airlines, eine Tochtergesellschaft von China Airlines, bediente zwar ab 1993 Frankfurt, entsprechend einer seit 1975 bestehenden «Regel», dass alle staatlichen Airlines, die damals neu die Strecke nach Taiwan bedienten, weder Flagge zeigen noch unter ihrem eigenen Namen nach Taiwan fliegen durften. So wurde Japan Airlines eben zu Japan Asia Airways, British Airways zu British Asia Airways, Lufthansa griff zu Condor, China Airlines zu Mandarin Airways usw. Diese Regelung hat sich nicht bewährt, ist wohl auch nicht WTO-konform und wurde in Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Japan und Australien längst aufgegeben. Ganz abgesehen davon wurden viele staatliche Fluggesellschaften inzwischen privatisiert bzw. haben über die Staatsgrenzen hinweg fusioniert (KLM/Air France, British Airways/Iberia, Lufhansa/Austrian etc.).

Lediglich KLM hat ihre eigens für den Betrieb nach Taiwan gegründete Tochter KLM Asia noch, wenn auch nur noch zu Marketingzwecken, hier ist allerdings speziell, dass die KLM Asia ihren Sitz in Taiwan hat. Die KLM Asia ist glücklicherweise nicht Mitglied der Taipei Airlines Association. Man mag sich die rechtlichen Verwicklungen nicht ausdenken, wenn sie plötzlich beschliessen würde, den Linienflug auf die jeweils französische Seite des Flughafens Genf oder Basel-Mulhouse anzusteuern.

Die neueren Luftverkehrsabkommen, die Taiwan abgeschlossen hat, etwa dasjenige mit Spanien oder Finnland, behandeln alle taiwanesischen Fluggesellschaften gleich. Entsprechend ist eher zu vermuten, dass China Airlines den Flugbetrieb mit Barcelona, Madrid, Warschau, Venedig oder Helsinki aufnehmen wird, wo ihr keine Hürden in den Weg gestellt werden.

Der Bundesrat bzw. die Swissair haben das ab 1995 praktizierte Modell bei British Airways (British Asia Airways), Lufthansa (Condor) bzw. Air France (Air France Asia) abgekupfert und China Airways deshalb ausgeschlossen. Hierzulande scheint bisher nie jemand gewagt zu haben, diese Idee zu hinterfragen[15] und zu schauen, wie es heute ennent der Grenze heute gemacht wird.

Starlux

Starlux: Ein Startup mit 35 Jahren Erfahrung

Die jüngste taiwanesische Fluggesellschaft, die 2018 gegründete Starlux Airlines, ist zugleich die vielversprechendste Kandidatin für die Wiederbelebung der Strecke Taipei-Zürich.

Es ist daran zu erinnern, dass Nationalrat Addor die Frage gestellt hat, ob (1) eine Fluggesellschaft mit (2) Sitz in Taiwan bei einer (3) zuständigen Behörde (4) Interesse angemeldet hat, (5) ab 2026 (6) Direktflüge (7) in die Schweiz anzubieten.

Starlux erfüllt als einzige taiwanesische Airline alle von Nationalrat Addor implizierten Bedingungen:

  1. Aufgrund der 1995 geschlossenen Vereinbarung kann nur eine einzige von der Taipei Airlines Association (TAA) designierte private Fluggesellschaft die Streckenrechte in die Schweiz wahrnehmen. Starlux ist Mitglied der TAA und ist dort alles andere als ein Leichtgewicht. Dies umso mehr, als EVA Air in den letzten 30 Jahren auf die Option verzichtet hat, Zürich zu bedienen und China Airlines ausser Betracht fällt.
  2. Starlux hat ihren Sitz in Taiwan. Dasselbe gilt für China Airlines und EVA Air. Und KLM Asia.
  3. Zu den zuständigen Behörden in der Schweiz zählen vorab das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL), die Direktion für Völkerrecht und der Bundesrat, der am 26. September 1994 nicht nur die Grundzüge der Vereinbarung über die Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz definiert hat, sondern auch die Kompetenz zum Abschluss derselben an die Swissair bzw. die durch diese zu gründende Tochtergesellschaft Swissair Asia delegiert hat. Alle drei Airlines dürften die entsprechenden rechtlichen Grundlagen kennen und bei ihrer Anfrage bedacht haben.
  4. Explizit Interesse an eine Flugverbindung in die Schweiz geäussert hat bislang nur EVA Air, und soweit bekannt nur zwischen 1991 und 1994. Auch damals war der Gründer von Starlux, Chang Kuo-wei, bei EVA Air schon an Bord, insbesondere seit 2004 in einer Führungsposition. Es gibt keine Anzeichen, dass dieses Interesse EVA Air fortbesteht, bietet doch EVA Air bereits ein halbes Dutzend Direktflugverbindungen nach Europa an, insbesondere dürfte die Ende 1991 eröffnete Fluglinie nach Wien eine valable Alternative zu Zürich gewesen sein und sind es jedenfalls die 2022 neu hinzugekommenen Flughäfen München und Milano. Starlux hat Interesse an Flugverbindungen in Europa angemeldet, ohne aber spezifische Destinationen zu nennen.
  5. EVA Air braucht sich bezüglich des Datums der Eröffnung neuer Fluglinien nicht auf die Äste hinaus zu lassen und hat im Verhältnis zur Flottengrösse nur wenige neue Flugzeuge bestellt. Starlux hat dagegen spezifisch von 2026 für den Beginn des Services in Europa gesprochen, zahlreiche Langstreckenmaschinen erworben bzw. geordert und darf die im Rahmen des IPO im Oktober 2024 geweckten Erwartungen von Aktionären und Investoren nicht enttäuschen.
  6. Starlux ist die einzige taiwanesische Fluggesellschaft, die spezifisch von Direktflügen nach Europa spricht, während EVA Air und China Airlines viele Routen im Code-Sharing und/oder mit Zwischenstopp anbieten.
  7. Starlux spricht von (einer) exklusiven Destination(en), die ab 2026 mit Direktflügen bedient werden. Zürich momentan ist die einzige wirklich exklusive Destination neun möglichen Destinationen in Europa, an allen anderen Flughäfen hätte Starlux Konkurrenz von EVA Air, China Airlines und/oder einer einheimischen Fluggesellschaft.

Starlux hatte einen harten Start, sollte sie doch ausgerechnet im Januar 2020 den Flugbetrieb aufnehmen. Infolge der Lockdowns wegen Covid konnte die jüngste taiwanesische Fluggesellschaft erst 2023 richtig durchstarten. Bereits nach fünf Jahren verdiente sie sich den 5. Stern im Juni 2025 und zählt damit zu den weltweit nur 11 Luxus-Airlines[16].

Das Unternehmen ist inzwischen profitabel und ging am 24. Oktober 2024 an die Börse. im Geschäftsjahr 2024 wurde ein Umsatz von USD 1,2 Milliarden erzielt, eine Steigerung von 58% gegenüber dem Vorjahr, und einen Gewinn nach Steuern von USD 44,68 Millionen[17].

Momentan umfasst die Flotte 28 Flugzeuge, 30 zusätzliche sind bei Airbus schon bestellt[18]. Starlux verfolgt damit eine ähnliche Wachstumsstrategie wie EVA Air in den Neunzigerjahren, nur deutlich schneller. 2024 hatte Starlux 5’125 Mitarbeiter, auch diese Zahl dürfte im Wachsen sein.

Ein A350-900 von Starlux am Flughafen Taipei-Taoyuan (Quelle: Steven Byles, CC BY-SA 2.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0, via Wikimedia Commons)

Inzwischen trotzt Starlux der Konkurrenz nicht nur mit einem dichten Streckennetz in Ost- und Südostasien, sondern auch mit Langstreckenflügen an die amerikanische Westküste. Im April 2023 wurde die erste Interkontinentalstrecke nach Los Angeles eröffnet, im Dezember 2023 diejenige nach San Francisco, im August 2024 diejenige nach Seattle und im Juni 2025 diejenige nach Ontario (eine Stadt in der Nähe von Los Angeles). Ab Februar 2026 soll Phoenix (Arizona) hinzukommen.

Die neueste taiwanesische Fluggesellschaft bzw. deren Gründer höchstpersönlich hat für ihre Flotte seit Dezember 2024 in Toulouse den siebten, achten,…zehnten (oder schon elften?) Airbus A350-900 in Empfang genommen und nach Taipei überführt[19]. Der A350-900 ist ein Flugzeugtyp, der für die Strecke Zürich-Taipei (9’546 km) angesichts seiner Reichweite von 15’000 km hervorragend geeignet ist. An der Airshow in Paris soll Starlux am 18. Juni 2025 zudem seine Bestellung für den etwas grösseren Airbus A350-1000 mit einer Reichweite von bis zu 16’100 km um 10 auf insgesamt 18 Flugzeuge aufgestockt haben[20]. Das Wachstum der Flotte lässt ahnen, dass der anlässlich des IPOs im Oktober 2024 bekanntgegebene und anlässlich der Generalversammlung im Juni 2025 bestätigte Plan einer Erweiterung des Streckennetzes nach Europa bereits ab 2026 durchaus realisierbar ist.

Angesichts der zahlreichen Luftverkehrsabkommen (Air Service Agreements, ASA), die in den letzten Jahren zwischen der taiwanesischen Regierung und diversen europäischen Staaten abgeschlossen oder modernisiert wurden, ist die Auswahl an Destinationen in Europa für Starlux auch in rechtlicher Hinsicht sehr gross. Als neue Destinationen in Frage kommen konkret Direktflüge nach Manchester, Madrid, Barcelona, Venedig, Warschau oder Helsinki und eben die drei internationalen Flughäfen in der Schweiz (bei Genf und Basel allerdings mit Einschränkungen mit Blick auf den französischen Teil der Flughäfen). Möglich wäre die Steigerung der Frequenzen auf bisherigen Flugverbindungen in Deutschland (München und Frankfurt), Italien (Milano oder Rom) oder Tschechien (Prag) in Konkurrenz zu EVA Air und China Airlines.

Zudem wollte Dänemark schon im Jahr 2000 mit einer taiwanesischen Airline ins Geschäft kommen, falls inzwischen ein entsprechendes ASA in Verhandlung ist, hat man bislang noch nichts davon erfahren. Mit Blick auf das Werk von TSMC in Dresden wäre es zudem naheliegend, dass im Norden Deutschlands noch eine dritte Flugverbindung nach Taiwan entsteht, beispielsweise in Berlin oder Hamburg. Hier eine allenfalls nötige Erweiterung der bestehenden Streckenrechte zu vereinbarenj dürfte wenig Probleme bereiten. Und schliesslich ist Chang Kuo-wei nicht nur ein guter Kunde von Airbus in Toulouse, sondern seit 2021 Chévalier der französischen Légion d’Honneur[21]. Wenn Chang Kuo-wei im jeweils französischen Teil der Flughäfen Genf und Base-Mulhouse oder in einem anderen Flughafen in Frankreich Direktflugverbindungen anbieten möchte, wäre schwer vorstellbar, dass sich die französische Regierung querstellt.

Zürich ist soweit ersichtlich der einzige Flughafen in Europa, bei dem schon eine Vereinbarung über die Streckenrechte besteht und der für wirklich exklusive Direktflugverbindungen in Frage kommt. Die Vereinbarung von 1995 betreffend die Streckenrechte zwischen Taiwan und der Schweiz sieht nämlich vor, dass nur eine einzige von der Taipei Airlines Association (TAA) bezeichnete taiwanesische Fluggesellschaft die Schweiz bedienen darf und dass dies nicht China Airlines sein darf. Neuere Air Services Agreements (ASA) setzen hier auf Konkurrenz.  

Die Gerüchteküche kocht heiss: Wird Barcelona das Rennen machen, oder vielleicht doch eher Helsinki? Das ist natürlich Geschäftsgeheimis, abgesehen davon muss bei der Lieferung der neuen Langstreckenflugzeuge eine Punktlandung erzielt werden. Bei schon jetzt (inlusive Schweiz) mindestens 18 möglichen europäischen Destinationen ist die Chance, hier eine korrekte Aussage zu treffen, einfach zu klein.

Anlässlich der Generalversammlung von Starlux am 13. Juni 2025 hat der Gründer und Verwaltungsratspräsident von Starlux, Chang Kuo-wei, bestätigt, dass Starlux ab 2026 «exklusiv» Direktflüge nach Europa durchführen werde. Chang Kuo-wei würde mit seinen während der Signierstunde en passant gemachten Aussagen dem Orakel von Delphi alle Ehre machen, für die Korrektheit der Übersetzung besteht ausdrücklich keine Gewähr[22]:

我們現在是規劃明年是會有歐洲直飛航線。直飛航點的規劃是有。明年當然是我們獨家飛啊。對啊對啊。我所謂的飛進去就是我們獨家飛進去。

Wir planen derzeit, nächstes Jahr Direktflüge nach Europa durchzuführen, also es ist geplant, Destinationen in Europa direkt anzusteuern. Nächstes Jahr haben wir sicher exklusive Flüge, jaja. Sozusagen alle meine Flieger gehen dorthin, d.h. wir haben Exklusivflüge.

Die Betonung des Worts «Exklusivität» könnte bedeuten, dass sich Starlux die Destinationen nicht mehr länger mit EVA Air bzw. China Airlines teilen will, wie dies bezüglich den Destinationen an der Westküste der USA der Fall ist und spricht auch gegen ein Code-sharing.

Darauf deutet auch die Bemerkung hin, «alle» seine Flieger würden nach Europa gehen. Damit dürften ein Teil der Langstreckenflotte von (mindestens) 10 A350-900 gemeint sein, wovon vier seit Dezember 2024 geliefert wurden. Die ersten fünf von insgesamt 18 A350-1000, die ab Ende dieses Jahres bzw. 2026 geliefert werden sollen, dürften eher für die US-Ostküste geordert worden sein, könnten jedoch ebensogut in Europa zum Einsatz kommen. Starlux wird so oder so nicht nur 2026, sondern gestaffelt über viele Jahre etliche neue Destinationen benötigen, um alle 58 Flugzeuge, welche ihre Flotte aufgrund der derzeit 30 Bestellungen umfassen wird, auszulasten.

Der mehrfache Hinweis auf Direktflüge deutet darauf hin, dass auf Zwischenlandungen z.B. in Bangkok oder Neu Delhi bzw. in einer europäischen Hauptstadt, z.B. Wien, verzichtet werden soll. Dies wohl in Abgrenzung zu EVA Air, die seit langem eine entsprechende Strategie verfolgt, z.B. macht ein Teil der Flüge nach Wien eine Zwischenlandung in Bangkok oder wird Warschau im Code-sharing über Wien bedient. Solche nicht ganz direkten Direktverbindungen waren Anfangs der Neunzigerjahre noch gang und gäbe. Dass eine Airline eine Flugstrecke von Miami nach Genf mit Zwischenlandungen in Washington und Paris anbietet, ist heute jedenfalls im Luxussegment praktisch undenkbar. Ausser natürlich, es würde ein echter Round-the-World-Service angeboten…

Starlux plant, Ende 2025 zur Allianz One World zu stossen, zu der etwa British Airways, Finnair, American Airlines, Iberia oder Cathay Pacific gehören, Cathay Pacific als Platzhirsch in Hong Kong soll von dieser Idee allerdings nicht begeistert sein. Die Strecke Hong Kong – Taipei gilt als eine der meistbeflogenen Routen der Welt, gerade wegen der Umsteigeverbindungen in Hong Kong. Wenn Fluggäste direkt von Taipei an ihre Destination fliegen, ist das für Cathay Pacific sehr nachteilig.

Zudem ist der Flughafen Taipei-Taoyuan eine ernsthafte Konkurrenz zum Hub Hong Kong, insbesondere für Passagiere, die nach Japan oder in die Philippinen weiterreisen. Derzeit besteht ein Engpass in Taipei-Taoyuan, das 3. Terminal soll erst Ende Jahr und auch dann nur teilweise in Betrieb gehen. Zudem verzögert sich auch der Bau eines geplanten neuen Runways.

Bezüglich der Ambitionen in der Schweiz hat sich Starlux – wohlweislich – nicht geäussert. Schon gar nicht nach der Abfuhr durch den Bundesrat. Eigentlich müsste der Flughafen Zürich längst um die Gunst der Fluggesellschaft buhlen, die sich im Luxussegment positioniert. Der Konkurrenzkampf in Ostasien hat sich verschärft. So bietet nun die koreanische Billigfluggesellschaft T’way Direktflüge nach Europa (u.a. Paris, Frankfurt) an, mit Umsteigeverbindung in diverse taiwanische Städte – Swiss hat erstmals im Mai 2024 eine Direktflugverbindung nach Seoul im Angebot. Auch Direktflüge nach Osaka waren eigentlich schon 2020 im Gespräch. Andere brachliegende Fluglinien in Ostasien gibt es auch, nur gibt es einen entscheidenden Unterschied: diese Strecken würden betrieben, wenn es sich rentieren würden; die Strecke nach Taipei ist unabhängig davon, ob sie wirtschaftlich vielversprechend ist oder nicht gänzlich in Vergessenheit geraten.

Immerhin hat man jetzt den Braten gerochen, wie die Intervention von Nationalrat Addor zeigt. Ob er einfach eins und eins zusammengezählt hat, oder ob er über die Vorgänge hinter den Kulissen besser informiert ist, als andere, kann dahingestellt bleiben.

Chang Kuo-wei als prägende Figur bei EVA Air wie auch als Gründer von Starlux Airlines

Dass soweit ersichtlich erstmals die seit 2002 im Dornröschenschlaf liegende Direktflugverbindung von Zürich nach Taipei in der Schweiz thematisiert wurde, dürfte direkt mit der Geschichte von EVA Air zusammenhängen, die sich 1991 und möglicherweise auch danach um eine Direktflugverbindung in die Schweiz bemüht hat, und dort mit einem Piloten, der bis 2016 EVA Air und jetzt Starlux erfolgreich durch viele Stürme geführt hat: Chang Kuo-wei a.k.a. K董 («Präsi K») a.k.a. 吸塵男孩 («männliches Aschenputtel»).

Der Milliardär K.W. Chang gibt vor dem Jungfernflug der Starlux von Taipei nach Ontario (Kalifornien) einem Passagier ein Autogramm, bevor er das Pilotenruder übernimmt. (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=0W_TAdnWU1Y)

Starlux entstand im nämlich Kontext einer Streitigkeit zwischen den Erben des Gründers der Evergreen Group: Deren Gründer Chang Yung-fa hatte seinen Sohn aus zweiter Ehe, den erwähnten Chang Kuo-wei in seinem Testament 2014 zum Nachfolger und Haupterbe in seinem Imperium Evergreen gekürt, und nicht nur von EVA Air, wo K.W. Chang von Anfang an eine bedeutende Rolle gespielt hat. Dass ein Patron einen einzigen Nachfolger kürt, ist in der konfuzianischen Familientradition geprägten Ländern üblich[23]. Nach dem Tod des Evergreen-Gründers im Januar 2016 wurde das Testament von den drei – relativ gesprochen – leer ausgegangenen Söhnen angefochten.

K.W. Chang (geb. 6. September 1950) war buchstäblich mit EVA Air gross geworden. Schon während seiner Studienzeit an der California State University in Los Angeles, wo er einen Masterabschluss in Wirtschaft machte, soll er regelmässig in der Werft von McDonnell Douglas in Long Beach aufgetaucht sein, um bewaffnet mit «Übergwändli» und einer Taschenlampe die im Bau befindlichen Flugzeuge, die sein Vater bestellt hatte, zu inspizieren[24] – eine Gewohnheit, die er scheinbar bis heute nicht aufgegeben hat[25]. Auch nach der Rückkehr nach Taiwan zog er eine praktische Tätigkeit einem Bürojob vor. 2004, im Alter von 34 Jahren, wurde er dann aber in die den Verwaltungsrat von EVA Air berufen, eine Position, die er Ende 2006 aufgab, um in den USA die Ausbildung zum Berufspiloten zu machen. 2010 kehrte er in den Verwaltungsrat von EVA Air zurück und wurde deren Verwaltungsratspräsident. Er wurde aber unmittelbar nach dem Tod seines Vaters aus dem Familienunternehmen ausgestossen[26].

Nachdem der Oberste Gerichtshof Taiwans das Testament von Chang Yung-fa im August 2024 für gültig erklärt hat, wendet sich das Blatt und K.W. Chang ist nun zwar nicht oberster Herrscher des Evergreen-Imperiums (hier gilt das taiwanesische Gesellschaftsrecht und nicht der Erblasserwille), aber zu seinem bisherigen Vermögen kam noch das Erbe von geschätzt US$ 433 Millionen hinzu[27]. Aktuell wird sein Vermögen auf USD 1,2 Milliarden geschätzt. K.W. Chang dürfte damit derzeit der jüngste Milliardär Taiwans sein.

Fusion von EVA Air und Starlux?

Es wurde natürlich die Frage aufgeworfen, ob EVA Air und Starlux eine Fusion planen nachdem die Familienstreitigkeit beigelegt wurde. Dafür spricht, dass K.W. Chang schon immer von einem asiatischen Pendant der deutschen Lufthansa gesprochen hatte. Beide Airlines operieren zudem im Luxussegment, ähnlich Koran Air und Asiana, die fusioniert haben. Es ist auch unwahrscheinlich, dass Starlux EVA Air das Wasser abgraben will. EVA Air ist ein Teil des Lebenswerks seines Vaters, das K.W. Chang fortsetzt[28]. Er sieht sich nicht als Konkurrent zu EVA Air, sondern im Wettbewerb mit den ganz Grossen des Fluggeschäfts:

台灣的皇冠不值錢,對不對。你有實力你就是要搶亞洲那個皇冠, 是不是。那才是真的是叫做實力。

Es lohnt sich nicht, sich zu verausgaben, um die Krone [der besten Fluggesellschaft] Taiwans zu erlangen, oder? Wenn Du die Fähigkeit dazu hast, willst Du die Krone Asiens, nicht wahr? Damit zeigst Du Deine wirkliche Kraft.

Gegen eine Fusion spricht einerseits, dass zwei Fluggesellschaften unter der Kontrolle einer einzigen Person ein gewisses Klumpenrisiko bildet, so dass das Vorhaben bei der taiwanesischen Regierung und auch international unter wettbewerbsrechtlichen, aber auch unter sicherheitspolitischen Aspekten keine Begeisterung auslösen würde. K.W. Chang soll immer noch 11,45% der Anteile von EVA Air halten und hat damit schon heute beträchtlichen Einfluss, auch wenn er auf sein Recht, zwei Vertreter in den Verwaltungsrat von EVA Air zu entsenden, wohlweislich verzichtet hat.

Starlux ist erst am 24. Oktober 2024 erfolgreich an die Börse gegangen[29]. Die Aktionäre und anderen Geldgeber dürften sich geprellt fühlen, wenn Starlux zu einer unbedeutenden Tochtergesellschaft innerhalb des riesigen Evergreen-Konglomerats würde. 

Ausserdem macht es den Eindruck, als sei Starlux eine Herzensangelegenheit von K.W. Chang  und nicht einfach nur das Spielzeug eines gelangweilten Milliardärs. Er ist alles andere als ein Luftibus, der wahllos Flugzeuge sammelt, um seinen älteren Brüder und EVA Air eins auszuwischen. Er weiss, wie man eine erfolgreiche Airline aufbaut, schliesslich hat er 30 Jahre lang nichts anderes getan. Ausserdem ist er Berufspilot und dürfte sich der Verantwortung für die Maschinen, Passagiere und Besatzungen der Starlux durchaus bewusst sein[30]. K.W. Chang hat es sich bisher nicht nehmen lassen, seine neuen Maschinen persönlich zu inspizieren und sie selbst nach Taiwan zu fliegen und sich bei der Einweihung jeder neuen Flugstrecke von Starlux ans Ruder zu setzen.

Starlux und EVA Air haben sozusagen die gleiche DNA. Sie richten sich beide auf Langstrecke aus, streben beide das Luxussegment an, die Spitzenposition innerhalb der asiatischen Fluggesellschaften. Und doch schafft es Starlux, sich deutlich von EVA Air zu unterscheiden. Ein Beispiel sind die Sicherheitsinstruktionen:


Disclaimer

Dr. iur. Maja Blumer hat keinerlei privaten oder kommerziellen Interessen hinsichtlich der diskutierten Fluggesellschaften, Behörden, Vertragsparteien, Verbände und sonstigen Personen. Sie ist auch als Mitglied der FDP derzeit inaktiv. Sämtliche Informationen stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen und die ausschliesslich darauf gestützte eigene Analyse wurde mit niemandem diskutiert. Keine der genannten Personen wurde eingeladen, sich dazu zu äussern. Es besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der gezogenen Schlüsse und die Vollständigkeit der Rechtsgrundlagen. Insbesondere befinden sich die diplomatischen Dokumente des Jahres 1995 und der Folgejahre noch unter Verschluss.

Das Coverbild zeigt eine Maschine auf einem Direktflug von Taiwan nach Deutschland vor dem Landeanflug auf Frankfurt und ist privat.


[1] https://gpil.jura.uni-bonn.de/2023/08/agreements-with-non-recognised-entities-the-case-of-taiwan/

[2] https://taiwanheute.tw/AMP/archiv/gesellschaft/101564/gro%C3%9Fes-verdienstkreuz-f%C3%BCr-chang-yung-fa

[3] https://www.evergreen-marine.co.uk/tuf1/jsp/TUF1_Html.jsp?page=TBN1_060718.htm

[4] https://www.tradewindsnews.com/daily/chang-wins-italys-top-honour/1-1-110786?zephr_sso_ott=DxlCoB

[5] https://www.evaair.com/en-us/plan-and-book/where-we-fly/route-maps/long-haul-route-map/

[6] https://www.evaair.com/en-us/about-eva-air/news/news-releases/2025-04-22-dfw-news.html

[7] https://skytraxratings.com/the-worlds-5-star-airlines

[8] https://dodis.ch/68099

[9] https://utopiaairport.blogspot.com/2015/07/eva-air-part-1-1991-1999.html

[10] https://zh.chregister.ch/cr-portal/auszug/auszug.xhtml;jsessionid=1c1689cf4dd619c9f5fc77999d27?loeschung=20070723&uid=CHE-104.141.752

[11] https://www.planepictures.net/v3/show_en.php?id=402701#google_vignette; bis im Januar 2024 wurde sie immer wieder mit dem Kennzeichen N282UP gesichtet, dann aber aus dem Verkehr gezogen und steht nun in Roswell, New Mexico.

[12] https://www.handelszeitung.ch/unternehmen/swissair-die-zukunft-ist-braun-116117

[13] https://www.forbes.com/sites/forbesasia/2014/01/29/evergreen-heir-k-w-chang-earns-his-stripes/

[14] https://www.china-airlines.com/la/en/about-us/index

[15] dodis.ch/68099

[16] https://skytraxratings.com/the-worlds-5-star-airlines

[17] https://taiwannews.com.tw/news/6133752

[18] https://www.airbus.com/en/newsroom/press-release/2025-06-starlux-orders-10-more-airbus-a350-1000s

[19] https://focustaiwan.tw/business/202412130015

[20] https://www.businesswire.com/news/home/20250618384152/en/STARLUX-Airlines-Orders-10-More-A350-1000s-to-Boost-Long-Haul-Fleet

[21] https://france-taipei.org/Remise-des-insignes-de-Chevalier-de-la-Legion-d-Honneur-a-M-CHANG-Kuo-wei

[22] https://www.youtube.com/watch?v=ifH4XvqyDcw.

[23] In der Regel ist der Haupterbe der ältesten Sohn, während dessen jüngere Brüder und die Töchter vergleichsweise «leer ausgehen». Wird der älteste Sohn als ungeeignet  angesehen, kann die Wahl des Patriarchen aber durchaus auf ein jüngeres Kind und sogar eine Tochter fallen, oder es werden Nachfolger «adoptiert», welche das Familienerbe weiterführen.

[24] https://www.forbes.com/sites/forbesasia/2014/01/29/evergreen-heir-k-w-chang-earns-his-stripes/

[25] https://www.youtube.com/watch?v=0j_e3_XBToE

[26] https://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2016/03/12/2003641377

[27] https://taiwannews.com.tw/news/5919620; https://splash247.com/final-ruling-in-long-battle-over-the-will-of-evergreen-founder/

[28] https://www.youtube.com/watch?v=R5-32VLhJe4; https://www.youtube.com/watch?v=0j_e3_XBToE

[29] https://www.taipeitimes.com/News/biz/archives/2024/10/26/2003825868

[30] https://www.forbes.com/sites/forbesasia/2014/01/29/evergreen-heir-k-w-chang-earns-his-stripes/; https://www.youtube.com/watch?v=R5-32VLhJe4