von Maja Blumer, 18. April 2025
Auf dem linken Fuss erwischt
Es scheint, als wäre die Schweiz auf dem linken Fuss erwischt worden, was die von US-Präsident Trump angekündigten «reziproken» Zölle anbelangt. Noch Mitte März 2025 konnte man einen Handelsexperten finden, der behauptete: «Die Schweiz fliegt unter dem Washingtoner Radar».[1] Die Zürcher Handelskammer war im Februar 2025 überzeugt, die Schweiz komme bei den reziproken Zöllen glimpflich davon. Schliesslich, so die für Schweizer einleuchtende Begründung, habe die Schweiz Industriezölle radikal abgebaut, die Mehrwertsteuer sei vergleichsweise tief. Zudem sei die Schweiz wichtige Kundin der USA hinsichtlich von Dienstleistungsimporten und ihre Direktinvestitionen in den USA würden viele hochbezahlte Arbeitsstellen schaffen.
Pessimisten vom KOF hatten im Oktober 2024 mit Zöllen von 60% gegenüber China und 20% gegenüber dem Rest der Welt gerechnet, und schafften mindestens bezüglich der EU damit eine Punktlandung, Norwegen (15%) und Grossbritannien (0%) kamen bezüglich der angedrohten Zölle sogar ein bisschen besser weg.
Wie haben es die Schweiz und Liechtenstein es als westeuropäische Länder geschafft, an den Pranger gestellt zu werden und (angeblich) ab 9. April 2025 31% Zusatzzölle entrichten zu müssen?[2] Die «Neue Mathematik» im Weissen Haus erschliesst sich nicht ohne weiteres[3], auch wenn durchaus ökonomische Überlegungen dahinter stecken, welche schon seit längerem bekannt sind.
Wer noch Lateinisch gelernt hat, weiss ohnehin: Iudex non calculat. Der Richter rechnet nicht. Und tatsächlich wurde der Auftritt von Präsident Trump vom 2. April 2025 inszeniert, als sei er Moses mit der Gesetzestafel. Und das Verhalten der Beteiligten ähnelt sehr einem Strafverfahren, in dem man kurz vor der endgültigen Urteil verspricht, hinfort nicht mehr zu sündigen und auf eine Bewährungsstrafe hofft oder auf seiner Unschuld beharrt und Gegenanzeige (Gegenzölle) androht. Taiwan und Vietnam sollen schon versprochen haben, ihre Zölle auf Null zu senken, Taiwan ein Interesse an einem weiteren Abkommen signalisiert haben (die 2. Etappe des umfassenden Wirtschaftsabkommens befindet sich ja schon seit etwa einem Jahr in Verhandlung).
Also Plea Bargaining und tätige Reue statt Bestrafung nach einem ehernen Gesetz? Das lässt immerhin einige Hoffnungen keimen, dass die Schweizer Regierung mit Verhandeln zugunsten von Schweizer Exporteuren einiges erreichen könnte. Unser Handelsminister Bundesrat Parmelin will bald in die USA reisen, um die Sichtweise der Schweiz darzustellen, angesichts der selbstattestierten Sprachkenntnisse Parmelins («I can English understand, mais je préfère répondre en français») nicht gerade ein erfolgsversprechendes Unterfangen.
Rechtliche Grundlagen in den USA
Bevor aber Verhandlungen beginnen, ist ratsam, sich die rechtlichen Grundlagen, auf die sich Präsident Trump beruft, vor Augen zu führen. Im Wesentlichen sind das der “International Emergency Economic Powers Act (50 U.S.C. 1701 et seq.) (IEEPA)”, der “National Emergencies Act (50 U.S.C. 1601 et seq.) (NEA)”, und Art. 604 des revidierten “Trade Act of 1974 (19 U.S.C. 2483)”.[4]
Insbesondere IEEPA wurde von Präsident Trump schon diverse Male angerufen und man hat auch sonst in der Schweiz gewisse Erfahrungen damit gemacht. Marc Rich, der Gründer von Glencore, wurde 1983 im Zusammenhang mit Sanktionsumgehungen basierend auf IEEPA verfolgt und floh in die Schweiz. Die Credit Suisse schloss 2009 einen Vergleich betreffend angebliche Verstösse gegen Sanktionen, die auf IEEPA beruht haben sollen.
Den internationalen Notfall als Voraussetzung für die Anwendung von IEEPA und den nationalen Notfall im Sinne des NEA sieht Präsident Trump im immer grösser werdenden Handelsbilanzdefizit der USA:
“…a lack of reciprocity in our bilateral trade relationships, disparate tariff rates and non-tariff barriers, and U.S. trading partners’ economic policies that suppress domestic wages and consumption, as indicated by large and persistent annual U.S. goods trade deficits, constitute an unusual and extraordinary threat to the national security and economy of the United States. That threat has its source in whole or substantial part outside the United States in the domestic economic policies of key trading partners and structural imbalances in the global trading system. I hereby declare a national emergency with respect to this threat.”
In ökonomischer Hinsicht kann man sich fragen, ob mit den verhängten Zöllen nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Dass in China beispielsweise die Löhne und der Konsum künstlich tief gehalten werden, ist eher eine Vermutung. Es fehlt schlicht an verlässlichen Statistiken dazu, wieviele Menschen in China überhaupt noch einer regulären Beschäftigung nachgehen und überhaupt, wieviele Menschen in China leben. Wenn die Bevölkerung Chinas nur noch etwa halb so gross wie offiziell ausgewiesen, die Arbeitslosenquote dafür doppelt so hoch, wäre eine Steigerung des Inlandkonsums in Festlandchina nur noch denkbar, wenn sich die chinesische Schulden pro Kopf noch grösser wären als ohnehin schon.
Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sich die Amerikaner selbst ins Fleisch schneiden, indem sie die höheren Importzölle selbst berappen müssen oder indem die Regale einfach leer bleiben, während die Exporte nach China immer mehr zurückgehen. Historische Erfahrungen zeigen aber auch, dass relativ hohe Zölle nicht per se schlecht sein müssen.
Houston, wir haben ein Problem!
Insgesamt scheint anerkannt, dass es ein Problem gibt und die erst vor 30 Jahren ins Leben gerufene WTO nicht unbedingt zur Lösung beigetragen hat. Nichttarifäre Handelshemmnisse, «Red Tape» sind tatsächlich ein Ärgernis. Ebenso, dass z.B. der Anteil des Konsums am Bruttosozialprodukt in den USA auf 68% geschätzt wird, in Irland auf bloss 27%. Dass eine Mehrwertsteuer von 23% wie in Irland einen Einfluss auf das Konsumverhalten hat, ist naheliegend.
Dass in China Markenware schamlos kopiert wurde und Überkapazitäten zu Dumping führen, ist weitherum bekannt; ein gut gehütetes Geheimnis von Expats war dagegen, dass man auch für den Export bestimmte Ware in hervorragender Qualität kaufen konnte, einfach ohne entsprechendes Label, dafür zu einem Bruchteil des Preises.
Dass Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer, bzw. Länder, die sich als solche deklarieren, überdacht werden müssen, ist klar. Wenn in den letzten Jahren im Internet bestellte Billigware aus Fernost mit dem Flieger eingeführt wurden und scheinbar niemand auf die Idee kam, dass es vielleicht sinnvoll wäre, darauf etwas höhere Porti zu erheben als für einen B-Post-Brief ins Schweizer Nachbardorf, Zölle und Mehrwertsteuer zu erheben und die Einhaltung elementarster Rechtsregeln (Verbot von Zwangsarbeit, Produktsicherheit, Umweltschutz) durchzusetzen, hat das nicht wiedergutzumachende Folgen für den Einzelhandel, die Konsumenten und letztendlich für das gesamte Rechts- und Sozialsystem.
Nur gilt dasselbe wohl auch, wenn die Missbräuche mit der Holzhammermethode bekämpft werden. Die Chancen, dass Trump auch gegenüber China zurückbuchstabieren muss, sind intakt. Umso mehr, als das Reich der Mitte inzwischen sozial, ökologisch, ökonomisch und politisch derart instabil, dass der Handelskrieg das Fass endgültig zum Überlaufen bringt und extrem nationalistischen Kräften Vorschub leistet.
Die Schweiz und viele andere Länder streb(t)en an, das Problem mit den geltenden Regeln für den Welthandel mit «plurilateralen Verhandlungen» im Rahmen der WTO zu lösen, die Sonderregeln für Entwicklungsländer den Gegebenheiten anzupassen und die Streitschlichtungsmechanismen zu verbessern[5]. Das ist natürlich zu begrüssen. Nur: haben Länder, die von den geltenden Regeln profitieren, überhaupt ein Interesse an einer raschen Verhandlungslösung?
Zölle werden schon seit 20 Jahren diskutiert
Man kann Präsident Trump – und im übrigen auch Präsident Biden – nicht vorwerfen, er hätte es nicht auf anderem Weg versucht, Disparitäten im internationalen Handel beizukommen. So hat er im Januar 2020 mit China einen ”Phase One Trade Deal” abgeschlossen, der sehr schnell in Vergessenheit geriet.
Und bereits vor 20 Jahren wurden Zölle erwogen, um den – trotz oder wegen dem WTO-Beitritts Chinas und Taiwans im Jahr 2001 – aus der Balance geratenen Handel wieder ins Lot zu bringen.[6]
“Another bill, introduced by Schumer and Graham is the China Free Trade Bill, received an overwhelmingly supportive vote as an amendment to the State Department Authorization bill in the Senate on April 6, 2005. That bill allows for a 180 day negotiation period between the U.S. and China to revalue its currency, if the negotiations are not successful, a temporary across the board tariff of 27.5% will be applied to all Chinese products entering the United States a penalty that corresponds to their estimated currency advantage. Since economists estimate that China undervalues its currency between 15 percent and 40 percent, 27.5% represents the midpoint range.“
Wenn 20 Jahre lang keine Verbesserungen hinsichtlich von Handelsungleichgewichten erzielt werden konnten, und der WTO-Beitritt Chinas (und Taiwans) in den letzten 25 Jahren die Situation nicht verbessert hat, ist es nicht überraschend, wenn man es nun ernsthaft mit der Zollkeule versucht.
Mängel der Sicherheitsarchitektur
Schwierig zu kontern sind die Argumente betreffend die internationale und nationale Sicherheit. Solange der «Westen» – gerade auch die Schweiz – davon abhängig ist, dass die USA auf den Weltmeeren Polizistin spielt, um den Seehandel sicherzustellen, ist irgendwie nachvollziehbar, wenn man zur Kasse gebeten wird. Die UNO, die eigentlich dazu berufen wäre, steckt ebenso im Reformstau wie die WTO, insbesondere dann, wenn Russland oder die Volksrepublik China selbst als Agressoren auftreten bzw. Agressoren unterstützen (Nordkorea, Iran). Das letzte Mal, dass man in der UNO in einer solchen Situation an einem Strick gezogen hat, war im Jahr 1950, im Koreakrieg.
Trotz aller transatlantischer Divergenzen besteht eine gewisse Einigkeit, dass man Mängel der Sicherheitsarchitektur nicht beheben kann, wenn man Themen wie Versorgungssicherheit, den Transfer kritischer Technologien (z.B. Microchips), das Erodieren der industriellen Basis (von Textilindustrie über Solarpanels bis zu Elektrofahrzeugen) und den Bruch der für die Handelsschiffahrt wie auch die Fischerei geltenden Regeln des internationalen Seerechts einfach ausblendet. Zu Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland. Oder wie es die Trump-Administration in der Order vom 2. April 2025 ausgedrückt hat:
“If the United States wishes to maintain an effective security umbrella to defend its citizens and homeland, as well as for its allies and partners, it needs to have a large upstream manufacturing and goods-producing ecosystem to manufacture these products without undue reliance on imports for key inputs. […] U.S. manufacturing is the main engine of innovation in the United States, responsible for 55 percent of all patents and 70 percent of all research and development (R&D) spending.“
Die Schweiz ist hier in einer sehr heiklen Situation, indem sie sich darauf verlässt, dass sie vom Sicherheitsschirm der USA bzw. der NATO profitieren kann, ohne einen Beitrag leisten zu müssen, gleichzeitig aber das Freihandelsabkommen mit China und Hong Kong vorantreibt oder mit Nordstream 1 und 2 eine russische Gesellschaft beherbergt und insofern gewisse Zweifel weckt, ob ihre Neutralität nicht vorgeschützt werde, um Geschäfte mit allen machen zu können..
Handelsungleichgewicht USA – Schweiz
In der Schweiz ging man bislang davon aus, keine Massnahmen gegen Handelsabhängigkeiten treffen zu müssen, weil man bezüglich der Bezugsquellen breit diversifiziert sei. Bedenken, dass man bezüglich wichtiger Technologien ausgeschlossen werden könnte – etwa hinsichtlich Computerchips aus Taiwan – wurden zwar geäussert, haben jedoch noch zu keinen konkreten Massnahmen geführt.
Die Zölle Präsident Trumps treffen die Schweiz an einer empfindlichen Stelle, denn sie zielen ziemlich offensichtlich darauf ab, Umgehungsgeschäfte zu verhindern. Unter diesem Aspekt ist es logisch, dass es die Schweiz härter getroffen hat als europäische Nachbarländer, die eindeutiger in die Kategorie von «Alliierten und Partner» der USA fallen.
Es ist alles andere als ein Geheimnis, dass die Schweiz seit einem Vierteljahrhundert gegenüber den USA einen riesigen Aussenhandelsüberschuss erzielt, 2024 waren es CHF 38,5 Milliarden. Bis zu 22,1% (Dezember 2024) der Schweizer Gesamtexporte gingen beispielsweise letztes Jahr auf Monatsbasis betrachtet in die USA, während nur zwischen 5,5% und 7% der Schweizer Importe von dort stammten.

Im ersten Quartal 2025 wurde es noch extremer. Allein im März 2025 erzielte die Schweiz in den USA einen Aussenhandelsüberschuss von sagenhaften CHF 8’653’675’646, 33% der Schweizer Gesamtexporte gingen im März 2025 in die USA. Rechnet man noch die Goldexporte ein, betrug der Schweizer Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA im letzten Monat CHF 15’844’786’164 und 43% aller Schweizer Exporte sind ins Land Trumps gegangen.

Ebensowenig ist ein Geheimnis, dass die Schweiz gegenüber der Volksrepublik China ein Aussenhandelsdefizit aufweist, 2024 war es knapp CHF 1 Milliarde. Darüber hinaus liegt die Vermutung nahe, dass die Importe von CHF 17’218’550’044 aus der Volksrepublik China im Jahr 2024 nicht alle in der Schweiz blieben, sondern mindestens zum Teil in der Schweiz «veredelt» und in die USA «reexportiert» wurden. Zwischen 6,8% und 9,1% aller Importe der Schweiz stammten letztes Jahr aus China, dessen Anteil an den Schweizer Gesamtexporten betrug nur zwischen 5,4% und 6,1%, im Januar 2025 und März 2025 waren es sogar nur noch 4,1% bzw. 4,3%.

Die Schweiz ist nicht das einzige Land, die dieses Arbitrage-Geschäft betreibt. Billig in China produzieren und teuer in den USA verkaufen, darauf sind auch schon andere Länder gekommen. Nur hat es die Schweiz in den letzten 25 Jahren auf die Spitze getrieben und rangierte im Februar 2025 auf dem zweiten Platz, was den Beitrag zum US-Handelsbilanzdefizit betrifft (allerdings unter Berücksichtigung der Goldexporte) und rangierte bei den US-Importen auf Rang 4, während sie bezüglich der Exporte der USA unter «ferner liefen» figuriert.

Schweizer Direktinvestitionen in den USA lahmen
Auch bei den Investitionen fällt eine gewisse Abkehr von den wichtigsten Exportmärkten der Schweiz – Europa und den USA – ins Auge. Man exportiert zwar gerne dorthin, investiert die Erlöse aber lieber in neue Produktionskapazitäten in Asien. Zwischen 2017 – dem Beginn der ersten Amtszeit Trumps – und 2023 ging der Kapitalbestand der schweizerischen Direktinvestitionen in der EU um 36% (von CHF 743 Milliarden auf CHF 588 Milliarden) zurück, in Nordamerika um 6% (von CHF 321 Milliarden auf CHF 302 Milliarden). Dagegen nahmen sie im gleichen Zeitraum in Asien um 36% zu, aber mit extrem ungleicher Verteilung. So sprangen die Investitionen in Singapore von 2017 bis 2023 um 350% in die Höhe (von CHF 18 Milliarden auf CHF 63 Milliarden, der Spitzenwert 2022 betrug gar CHF 66 Milliarden), in Vietnam stiegen die Schweizer Direktinvestitionen um 70% (von CHF 0,71 Milliarden auf CHF 1,206), in China und Hong Kong um 3% – von CHF 29 Milliarden auf CHF 30 Milliarden, der Spitzenwert von 2022 betrug gar CHF 36 Milliarden.
Vermeintliche Trump(f)karten
Wieder mehr Direktinvestitionen in den USA?
Dem Bundesrat wird entsprechend Medienberichten nachgesagt, «milliardenschwere» Direktinvestitionen in den USA in Aussicht zu stellen, um Präsident Trump gnädig zu stimmen, ähnlich wie man es in Indien bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen versprochen hat.
Laut SNB reduzierte sich der Bestand von Direktinvestitionen in Nordamerika zwischen Dezember 2022 und Dezember 2023 um 26 Milliarden, von CHF 328 Milliarden auf 302 Milliarden. Die USA kamen dabei ein bisschen besser weg als Kanada, wo sich der Buchwert der Schweizer Investitionen glatt halbierten (von CHF 29 Milliarden auf CHF 14 Milliarden). Der Buchwert der Schweizer Investitionen in den USA sank 2023 gegenüber 2022 um rund 4%, von CHF 299 Milliarden auf CHF 288 Milliarden. CHF 11 Milliarden weniger sind zwar ein Klacks gegen die über USD 150 Milliarden, welche die Schweizerische Nationalbank an der Wall Street investiert hat (Stand: 31. Dezember 2024, die 13f-Filings für das erste Quartal 2025 werden Mitte Mai bekannt gegeben). Aber auch diese USD 150 Milliarden würden wohl kaum ausreichen, um mit Taiwan schrittzuhalten, wo allein TSMC in Arizona Investitionen USD 165 Milliarden in Aussicht gestellt hat. – Tatsächlich will die NZZ schon in Erfahrung gebracht haben, dass die Schweizer «Superwoman» Helene Budliger Artiega Präsident Trump mit einem 150-Milliarden-Investitionspaket umstimmen soll.
Die Investitionen Taiwans in den USA als neuer Benchmark für die Schweiz? Vielleicht sollte man sich langsam überlegen, was die taiwanesischen Cat-Warriors in der Diplomatie besser machen als ihre Kollegen.
Dass die Schweizer Wirtschaft bei einem solchen Vorhaben mitziehen würde, ist schwer vorstellbar. Irgendwann muss auch beim Deal mit Indien noch diskutiert werden, ob es im Interesse aller Beteiligten ist, wenn Unterhändler der EFTA plötzlich Investitionsentscheidungen treffen, bei denen Risiko- und Renditeüberlegungen offenbar keine Rolle spielen.
Oder muss die Schweizer Wirtschaft gar nicht mitziehen, weil einfach die Anlagen der SNB an der Wall Street in Direktinvestitionen umgemünzt werden? Und sind diese Investitionen in den USA überhaupt willkommen?
Gute Dienste
Weiter soll der Bundesrat die Idee der Guten Dienste ins Feld geführt haben. An geopolitischen Brennpunkten mangelt es gewiss nicht, darunter Dauerbrenner wie Israel-Palästina, Iran/Jemen, Nordkorea-China-russische Ost-Mandschurei, China/Nordkorea-Südkorea, China-Taiwan, China-Philippinen etc. Doch welche Schweizer Diplomaten haben das Rüstzeug, zur Entschärfung solcher Konflikte? Bräuchte es dazu nicht vertiefte Sprach-, Geschichts- und Landeskenntnisse sowie langjährige Erfahrung? Oder ist es besser, wenn ein Diplomat ein unbeschriebenes Blatt ist, der alle vier Jahre an einen anderen Ort möglichst weit weg versetzt wird?
Diese Frage wird sich wohl in nächster Zeit anhand dreier interessanten Personalentscheide im Bundeshaus beantworten lassen:
Die bisherige Botschafterin im Iran Nadine Olivieri Lozano, welche dieses Amt offiziell seit 1. April 2022 innehat, wurde nämlich am 20. Dezember 2024 als “ambassador extraordinary and plenipotentiary” nach Südkorea abkommandiert. Sie fiel international vor allem dadurch auf, als sie sich in einen bodenlangen schwaren Hijab gehüllt als gelehrige Schülerin islamischer Mullahs porträtieren liess.
Ihr Vorgänger in der iranischen Botschaft, Christian Dussey, der seinen Rücktritt angekündigt hat, wird seinen Posten als Chef des Nachrichtendienstes des Bundes eher früher räumen als später. Ob ihm eine Stelle als Autor der neuen G-20-in-Asien-Strategie offeriert wurde, die dem Bundesrat vorschwebt, oder der China-Strategie 2.0, welche der Nationalrat verlangt?
Damit wird sich jedenfalls der Vorgänger von Dussey in der Schweizer Botschaft im Iran beschäftigen müssen, Patrick Leitner. Er wurde zum Chef der Abteilung Asien und Pazifik im Staatssekretariat EDA ernannt. Zuletzt war Leitner Botschafter in London und hat seine Sporen auf dem afrikanischen und südamerikanischen Kontinent abverdient.
So beeindruckend diese geballte Schweizer Iran-Kompetenz ausserhalb des Irans ist: Wer gewährleistet denn nun die guten Dienste in Teheran? Womit will die Botschafterin in Seoul ihr Image aufbessern? Mit einem Remake von Rokkugo (Super Junior) in Schweizer Tracht, vielleicht…?
Hangeul Sehr freie Übersetzung
로꾸거 로꾸거 로꾸거 말해말 Rokkugo, Rokkugo, säg säg!
로꾸거 로꾸거 로꾸거 말해말 Rokkugo, Rokkugo, säg säg!
니가는데는가니 일요일 스위스 Wohäre geit’s, wie steits? Äm Sunntig, i’d Schwyz.
수리수리수 물렁물렁물 Züri Züri zu Schwippschwappwasser.
Diplomaten haben in Seoul, Tokio, Beijing und Taipei etwa gleich grosse Chancen, sich zu verständigen, wie Bundesräte in Washington, die von sich selbst behaupten «I can English understand». Verständigung ist prioritär: Zunächst müsste Klarheit geschaffen werden, welche guten Dienste denn konkret gefragt wären um welches konkrete Ziel zu erreichen, und ob die Schweiz überhaupt über das geeignete Personal am richtigen Ort verfügt, um diese Dienstleistungen zu erbringen.
China statt USA?
Vereinzelt tauchte einmal mehr die Idee auf, den USA den Rücken zuzuwenden und die Beziehungen zu Russland und China zu verstärken. Auf den Schweizer Strassen würden dann BYD statt Teslas verkehren, das iPhone würde durch ein Smartphone von Huawei ersetzt, KI-Forschung mit Chips von SMIC statt TSMC betrieben und die amerikanischen F-35 Kampfflieger durch chinesische J-35 ersetzt. Um die amerikanischen Importe zu substituieren und den Handelsbilanzüberschuss zu bewahren, müsste man nur die Importe aus China lediglich noch einmal verdoppeln und die Exporte dorthin mindestens verfünffachen. Die Argumentation hat etwas für sich: wenn man sich schon aus der europäischen Sicherheitsarchitektur verabschieden will, kann man den Schweizer Luftraum auch gleich mit chinesischen Kampfjets sichern. Ist ja fast das gleiche – der差不多先生 (Chàbuduō xiānsheng) lässt grüssen.
Grenzenloses Vertrauen in die Diplomatie
Das Vertrauen der Schweiz in ihre Diplomaten scheint grenzenlos zu sein. Die Superwoman Helene Budliger Artiega, die mit einem Peruaner verheiratete Spitzendiplomatin und Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), welche die Schweizer Interessen schon in Lima, Bogota, Bangkok, Johannesburg vertreten hat, soll nun auch in Washington den Wagen erfolgreich aus dem Dreck ziehen und wird mit Vorschusslorbeeren eingedeckt.
Ihr zur Seite steht der SVP-Politiker Gabriel Lüchlinger, frühere Rechte Hand von Bundesrat Parmelin, der reichlich Erfahrung als Militärattaché in verschiedenen arabischen Ländern gesammelt hat und in Uppsala (Schweden) internationale Beziehungen studiert hat, bevor er 2022 als Quereinsteiger zum EDA stiess und nun zum Sondergesandten für die USA ernannt wurde.
Die Diplomatin Nadine Olivieri Lozano soll wie gesagt in Seoul statt in Teheran gute Dienste leisten und hat dort ebenso gute Chancen, internationales Aufsehen zu erregen wie an ihrem früheren Posten. Wahrscheinlich findet man nirgendwo auf der Welt (ausser vielleicht in Taiwan) Gesprächspartner, die einem die Finessen erklären können, die es zu beachten gilt, wenn man erfolgreich zwischen China als mächtigem Nachbarn und den USA als langjährigem Alliierten navigieren will.
Um die Nachbesserung von Schweizer Diplomaten ausgehandelten Freihandelsabkommens in Beijing unter Dach und Fach zu bringen, legt sich kein Geringerer als der höchstrangige Schweizer Diplomat Dr. h.c. Alexandre Fasel ins Zeug, der schon in Canberra, Ottawa, London und bei der UNO in Genf tätig war und sich im November 2024 mit dem chinesischen Vizeaussenminister Deng Li traf, um die «innovative strategische Partnerschaft» mit dem Reich der Mitte voranzutreiben. Nur weil das Freihandelsabkommen mit China in den letzten zehn Jahren nicht gerade eine Erfolgsgeschichte für die Schweizer Exportindustrie war und es vordringliches Ziel ist, die Handelsbeziehungen zu den USA ausgewogener zu gestalten, heisst das nicht, dass man China gleich fallen lassen müsste.
Und ein fünfter Diplomat, Christian Dussey, soll weiterhin eine wichtige Rolle bei den Sicherheitsinteressen der Schweiz spielen, bis ein Nachfolger – eventuell Gabriel Lüchlinger (?) – gefunden ist.
So viele Diplomaten, welche dafür sorgen sollen, dass die Schweiz im Handelskrieg zwischen den USA und China nicht unter die Räder kommt: «ça fatigue un peu», wie es Christian Dussey bei der Ankündigung seines Rücktritts ausgedrückt hat. Man kann ihnen bei ihrer Mission nur Glück wünschen, ein Erfolg scheint aber alles als garantiert, Super(wo)men hin oder her.
Vielleicht sollte man besser schon jetzt über andere Trump(f)karten nachdenken, die man aus dem Ärmel ziehen kann.
Andere Trump(f)karten der Schweiz sind näherliegend
Finanzielle Aspekte verstehen
Auch wenn die verhängten Zölle auf den ersten Blick extrem erscheinen, stecken dahinter ökonomische Abwägungen, die nicht einfach von der Hand gewiesen werden können und die auch nicht einfach nur auf dem Mist von Trump gewachsen sind. Diese Abwägungen wurden von Beratern Trumps früh offengelegt.
Ein wichtiger Aspekt für die hohen Zölle, die gegen die Schweiz verhängt werden sollen, ist der Umstand, dass die Schweiz im Februar 2025 bei den Importen der USA mit einem Volumen von USD 19,9 Milliarden (CHF 17,6 Milliarden) hinter Mexico (14,4% aller US-Importe), Kanada (12,1%), China (11,0%) an vierter Stelle lag (6,9%). Hinsichtlich des Beitrags zum US-Handelsbilanzdefizit lag die Schweiz mit USD 17,7 Milliarden hinter China mit USD 21,2 Milliarden sogar an zweiter Stelle. Als Exportdestination für die USA schafft es die Schweiz dagegen nicht einmal unter Berücksichtigung des Goldhandels, in den Kreis der 15 wichtigsten Handelspartner der USA aufgenommen zu werden.
Nun gibt es einige Erklärungen für diese rekordverdächtigen Zahlen. Im März 2025 bestand fast die Hälfte der Exporte in die USA Gold und Silberbarren und dgl. (CHF 9’377’403’561 von Exporten [Total 2] von CHF 19’395’649’544), die nicht in der Schweiz produziert, sondern hier nur umgeschmolzen wurden.

Zum anderen dürfte wie schon erwähnt ein gewisses «Frontloading» stattgefunden haben, waren die Trump’schen Zölle ja erwartet worden. Dafür spricht, dass schon nach der Wahl Trumps die Exporte in die USA ohne Berücksichtigung der Goldexporte im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat in die Höhe geschnellt sind: im Dezember 2024 um 49,7%, im Januar 2025 um 6,1%, im Februar 2025 um 14% und im März 2025 um sage und schreibe 140,9%).
Mit der Ankündigung der Zölle und dankdem der US-Dollar gegenüber dem Schweizerfranken seit Januar 2025 um rund 10% günstiger geworden sind, dürften auch die Schweizer Exporte in die USA deutlich sinken, falls die Schweizer Exporteure das Fuder nicht überladen.
Zudem dürfte es den USA lieb sein, wenn sie US-Dollars gegen Gold eintauschen kann. Gerade unter sicherheitspolitischen Aspekten dürfte es die Regierung Trump begrüssen, wenn das Gold nach Westen fliesst, und nicht wie ein Jahr zuvor in einem rekordverdächtigen Ausmass nach China. Dass die Schweizer Exporte in die USA einschliesslich Gold und andere Edelmetalle sowie Diamanten (Total 2) im März 2025 gegenüber dem Vorjahr um 333% zugelegt haben, ist möglicherweise gar kein so grosses Problem.
Über die Goldverkäufe hinaus dürfte die Schweiz auch sonst im Hinblick auf die Finanzmarktstabilität einige Trümp(f)e im Ärmel haben. So wurde die Schweiz im Februar 2025 mit US Treasuries im Wert von USD 290,8 Milliarden zwar von Taiwan mit USD 294,8 Milliarden überholt, immerhin liegt die Top-Ten der Gläubiger des amerikanischen Staates noch in Griffweite, solange nicht auch Hong Kong und Singapore die Schweiz überholen und die Schweiz auf Platz 13 relegieren[7]. Wenn die Volksrepublik China ihre US-Treasuries in beschleunigtem Tempo abstossen sollte, wie befürchtet wird – im Februar 2025 waren es noch USD 784,3 Milliarden, das Allzeithoch wurde 2013 mit USD 1316,7 Milliarden erreicht[8] – kann die Schweiz hier etwas Boden gutmachen. Auch hier scheint die taiwanesische Regierung und ihre Diplomaten den neuen Benchmark zu setzen.
Beim Kauf von US-Treasuries wären wie auch bei den Direktinvestitionen allerdings weniger redegewandte Diplomaten und auch nicht Bauernschläue (schnell noch ein paar Gschäftli machen, bevor man sich reuig zeigt) gefragt, sondern eine nüchterne ökonomische Abschätzung der Risiken und Chancen einer «Investition» von Schweizer Volksvermögen in US-Staatsschulden.
Chancen der Re-Industrialisierung der USA packen
Statt sich zu überlegen, wie man die Exporte und damit Handelsbilanzüberschuss mit den USA steigern oder zumindest halten zu könnte, könnte man auch darüber nachdenken, ob es sich nicht lohnen würde, an der geplanten Re-Industrialisierung der USA teilzuhaben. Und zwar nicht einfach mit Direktinvestitionen, sondern auch mit Know-how.
Dass es den Amerikanern mit der Reindustrialisierung ernst ist, lässt sich schon daraus schliessen, dass der Anteil der in der Industrie Beschäftigten nach dem 2. Weltkrieg von rund 35% auf mittlerweilen unter 10% gefallen ist. D.h. die meisten Amerikaner wissen gar nicht mehr, wie die Dinge gemacht werden, die sie konsumieren. Wenn dann auch noch der Transport, die Vermarktung (Alibaba, Shein, TikTok) und das Business Process Management ausgelagert werden, sind bald einmal die Meisten nur noch mit der Vermögensverwaltung beschäftigt.
Ein entsprechender Verlust von Know-how ist auch in der Schweiz festzustellen. Gleichwohl: Dass die Schweiz im Welthandel nicht ein Niemand ist, liegt auch daran, dass einige wichtige Seeschiftfahrts- und Logistikunternehmen ihren Sitz in der Schweiz haben. Beispielsweise MSC mit einer der grössten Containerflotten der Welt, oder Kühne + Nagel. Bis vor nicht allzu langer Zeit waren die Schiffsmotoren von Sulzer aus Winterthur legendär. Wenn Trump ein Revival der maritimen Industrien in den USA anstrebt, ist das auch eine Chance für die Schweiz, mindestens für diejenigen, die (noch?) über das nötige Know-how verfügen.
Ähnliches gilt für Maschinenbau, Präzisionsinstrumente, Medizinaltechnik wo die Schweiz im Hinblick auf eine Reindustrialisierung der USA gefragte Dienstleistungen erbringen kann, die auf der Tradition der dualen Berufsbildung fussen. Noch können die Schweizer Berufsleute im Wettbewerbern mit der ostasiatischen Konkurrenz (Taiwan, Südkorea, Japan und China schwingen regelmässig obenaus) mithalten.
Bürgerdiplomatie
Ende 2024 lebten in den USA 18’850 Nur-Schweizer. Das sind 18’850 Menschen, die ein besonders starkes Interesse daran haben müssten, dass die Schweiz in ihrem Gastland einen guten Ruf bewahrt, die nicht einfach einen anderen Pass aus dem Hosensackziehen können, wenn die Schweizer Politiker und Diplomaten die Dinge vermasseln sollten. Viele von diesen 18’850 Menschen verfügen über die richtige Mischung von Nähe und Distanz, die es erlaubt, politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen zu beobachten, Wertschätzung für ihr Gastland (und ihre Heimat) zeigen zu können und gleichzeitig auch fundierte Kritik üben zu können.
Erstaunlicherweise liegt das Potential der Bürgerdiplomatie (welche andere Länder schon Ende des 19. Jahrhunderts für sich entdeckt haben) brach. Paul Ritter, ein Schweizer Ausnahmediplomat, sprach sich schon in einem Schreiben 10. Juni 1911, entsprechende Methoden der Bürgerdiplomatie auch in Ostasien und insbesondere in China in Betracht zu ziehen[9]:
Das Vorstehende beweist neuerdings, wie wertvoll es ist, seine Landsleute bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Auslande in Stellung zu bringen. Ich kann für Ostasien aus Erfahrung sprechen, wenn ich sage, dass selbst kleinere Positionen, die ich Schweizern dort zuzuhalten im Stande gewesen bin (Professoren, Lehrer, Hoteldirektoren, Aerzte, Fabrikleiter, Regierungsbeamte etc.) ihren Inhabern stets baldigst Gelegenheit verschafft haben, dem schweizerischen Handel irgendwie zu nützen. In wie viel höherem Masse müsste sich dies ausführen lassen, wenn unser Land endlich in näheren Kontakt mit dem Orient und dem fernen Osten (Siam und China) käme? Länder, welche noch auf lange hinaus auf die Unterstützung fremder Ratgeber angewiesen sind.
Dass mit den vorhandenen Kräften im diplomatischen Corps haushälterisch umgegangen werden sollte, liegt daran, dass die von Trump angekündigten bzw. verhängten Zölle und deren Auswirkungen nicht ohne vertiefte Kenntnisse Ostasiens verstanden werden können. Wenn sich die Schweiz in Ostasien Verbündete suchen will, muss sie genau wissen, wo gleichgelagerte Interessen bestehen, und wo nicht. In Wolf-Warrior-Manier Gegenzölle zu verhängen und den Endkampf anzudrohen, kann sich vielleicht China leisten, das eigenen Angaben zufolge 13% bis 14% ihrer Waren in die USA exportieren und schon seit einiger Zeit eine Abkoppelung der Innen-von der Aussenwirtschaft plant (Dual Circulation, 国内国际双循环), nicht aber die Schweiz.
Dass die Bürgerdiplomatie in Ostasien bis jezt in geopolitischen Schlüsselländern in Ostasien wie Südkorea, Japan oder Taiwan, Südkorea und der Volksrepublik China nicht Fuss gefasst hat, liegt auch daran, dass dort relativ wenige Nur-Schweizer leben und ihre Zahl bis Ende 2024 gegenüber 2016 zum Teil drastisch abgenommen hat:
Singapur = 1334 (-29%)
Japan = 866 (+21%)
Hong Kong = 748 (-39%)
Volksrepublik China = 641 (-63%)
Südkorea = 187 (+20%)
Taiwan = 187 (-9%)
Sprich: in den genannten Ländern dürfte es relativ schwierig werden, die Interessen der eigenen Bürger zu wahren, wenn es brenzlig werden sollte. Dort auch noch fremde Interessen zu wahren wie im Zweiten Weltkrieg bzw. Gute Dienste zu erbringen wie im Iran, dürfte relativ schwierig werden.
Das gilt gerade auch für die neue Botschafterin in Seoul, die statistisch gesehen erst mal 88 Wochen im Vollzeitstudium Koreanisch lernen muss, um «professional working fluency» zu erreichen, jedenfalls wenn sie nicht schon Chinesisch kann (dann kommt man mit Wortschatz und Grammatik recht schnell) oder sie K-Pop und K-Drama-Fan ist.
Gerade auch deshalb würde es sich lohnen, in den USA nicht jemanden zu «verheizen», der überall sonst auf der Welt Erfahrungen gemacht und persönliche Beziehungen geknüpft hat, nur nicht in Washington. Sondern dort Leute einsetzen, welche die Beziehungen dort über lange Jahre gepflegt haben, während man sich in Ostasien fragen muss, ob es dort überhaupt noch Sinn macht, in der Volksrepublik China an fünf Standorten Präsenz (Botschaft in Beijing, Konsulate in Hong Kong, Shanghai, Guangdong und Chengdu, letzteres seit Jahren temporär geschlossen) zu markieren, wenn die Schweizerkolonie dort mit den Füssen abstimmen.
Sicherheitsbedürfnisse ernstnehmen
Ob die Angst von Präsident Trump vor einem 3. Weltkrieg gespielt ist oder real, lässt sich nicht sagen. Schon vor 75 Jahren gab es in der Schweiz Stimmen, die die Republik China und Südkorea totsagten und lieber auf die maoistische Regierung oder die DDR setzen wollten, statt auf das von der UNO bzw. der eigenen Regierung anerkannte China bzw. auf das von den Alliierten kontrollierte Westdeutschland zu setzen. Damals schon hatte man im Schweizerischen Aussendepartement darauf gesetzt, mit den Sowjets und der Volksrepublik China endlich gute Geschäfte machen zu können und den anderen Ländern, die sich an den Beschlüssen der UN-Generalversammlung bzw. des UN-Sicherheitsrats orientierten, eine lange Nase drehen zu können. Als im Juni 1950 dann der Koreakrieg ausbrach, war man bass erstaunt, dass US-Präsident Truman Verbündete in aller Welt fand, um unter UN-Flagge den Sowjets, Nordkorea und den chinesischen Freiwilligen entgegenzutreten.
Dass der Status quo in der Taiwanstrasse und in Südkorea bislang gehalten werden konnte, ist schwerlich dem Schweizer Beitrag zum Weltfrieden zu verdanken. Ähnliches gilt heute für den Status quo in der Ukraine, der es bis jetzt allen Auguren zum Trotz gelungen ist, die Gebietsverluste in Grenzen zu halten. Die Schweiz hat sich diesbezüglich den Ruf eingefachen, das Loch im Donut der europäischen Sicherheitsarchitektur zu sein. Ziemlich sicher ist, dass die Schweiz hinsichtlich ihrer «Neutralitätspolitik» bei den USA und den Alliierten noch weniger Verständnis geniessen würde, als vor 75 Jahren, wenn die schwelenden Konflikte auf der koreanischen Halbinsel und in der Taiwanstrasse in einen «Shooting War münden sollte.
Weil die «Trump Tariffs» schon seit langem angekündigt wurden, sind auch die Gegenmassnahmen der Volksrepublik China von langer Hand geplant, was kein Geheimnis ist. Auch wenn diese Pläne in China selber nicht auf einhellige Begeisterung stossen, fällt einem aufmerksamen Beobachter auf, dass die Umsetzung dieser Pläne gerade auch in der Schweiz bereits weit gediehen ist.
Die Schweiz täte gut daran, sich hier nicht hineinziehen zu lassen, sondern überfällige Massnahmen zu ihrem eigenen Schutz – etwa die «Lex China» und die «Lex Huawei», die konsequente Ausweisung von spionierenden Diplomaten, Abbau von Handelsabhänigkeiten – auch endlich umzusetzen.
Das würde zwar nicht garantieren, dass die Schweiz mit Zöllen verschont würde und ihren exorbitanten Handelsbilanzüberschuss beibehalten zu können. Es könnte aber mindestens helfen, anderes Ungemach abzuwenden – den erschwerten Zugang zu KI-Chips ab Mai, allenfalls auch zu nachrichtendienstlichen Informationen der «Five Eyes» – welche die Schweizer Diplomatie noch zusätzlich zu den laufenden Gesprächen über die Zölle belasten. Ein Szenario, in dem der Schweiz aus Sicherheitsgründen Importe aus den USA verweigert werden, gleichzeitig die Exporte der Zollkeule zum Opfer fallen, ist möglichst zu vermeiden.
[1] https://www.leaderdigital.ch/hauptausgaben/maerz-2025-597/die-schweiz-fliegt-unter-dem-washingtoner-radar-13020.html
[2] https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2025/04/Annex-I.pdf
[3] https://www.cnbc.com/2025/04/03/how-did-the-us-arrive-at-its-tariff-figures-.html
[4] https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/04/regulating-imports-with-a-reciprocal-tariff-to-rectify-trade-practices-that-contribute-to-large-and-persistent-annual-united-states-goods-trade-deficits/
[5] https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Aussenwirtschaftspolitik_Wirtschaftliche_Zusammenarbeit/internationale_organisationen/WTO/laufende-verhandlungen-.html
[6] https://www.schumer.senate.gov/newsroom/press-releases/schumer-graham-urge-action-against-chinas-unfair-currency-manipulation
[7] https://ticdata.treasury.gov/resource-center/data-chart-center/tic/Documents/slt_table5.html
[8] https://ticdata.treasury.gov/resource-center/data-chart-center/tic/Documents/mfhhis01.txt
[9] Schreiben von P. Ritter an Bundespräsident Ruchet vom 10. Juni 1911 (dodis.ch/43142).