Die Credit Suisse: «Too Insignificant to Swallow» oder «Too Toxic to Not Let Fail»?

Am Sonntagnachmittag kursierte das Gerücht, die UBS ziere sich, die Credit Suisse zu 25 Rappen (nebst diversen Garantien der Nationalbank bzw. der Eidgenossenschaft) zu übernehmen. Der selbsternannte «Blockchain-Unternehmers» und «Diplomate» Justin Sun (孙宇晨), ein Jack-Ma-Zögling, hat ein wenig mehr geboten. Die UBS besserte nach und soll nun für die ganze CS ca. CHF 3 Milliarden bieten – immer noch nur ein Bruchteil des Schlusskurses am Freitag.

von Maja Blumer, 19. März 2023

Vorab eine «Disclosure»: Ich habe keine Aktien bei der Credit Suisse, aber ein Bankkonto mit einem momentan zweistelligen Kontostand – glaube ich jedenfalls. Dass ich dieses Konto noch habe, ist reine Nostalgie. Das meiste, was ich über Banken weiss, habe ich nicht unbedingt meinem Jusstudium zu verdanken, sondern meinem Grossvater, der Zeitlebens in den Diensten dieser Bank stand und das besagte Konto bei meiner Geburt eröffnete, und einem Onkel, der ebenfalls zeitlebens im Dienste dieser Bank stand und den ich sehr bewunderte.

Trotz oder wegen dieser persönlichen Betroffenheit Angesichts der Nachricht, dass die Konkurrentin der UBS noch nicht einmal 25 Rappen pro CS Aktie bot und mehr oder weniger unter behördlichem Zwang der Übernahme zugestimmt hat, scheint es mir wichtig, auf einige Punkte aufmerksam zu machen.

Erstens sollte vielleicht allmählich diskutiert werden, was das Problem der Credit Suisse eigentlich ist, das nun die UBS zu lösen hat. Wenn das Problem wirklich auf der Aktivseite liegt, und die Credit Suisse ihre Anlagen nicht schnell genug liquidieren kann, um stets die Kundenwünsche zu erfüllen, dann kann dieses Liquiditätsproblem so elegant mit Überbrückungskrediten der Schweizerischen Nationalbank bzw. der Eidgenossenschaft gelöst werden, wie es seinerzeit bei der UBS in der Subprime-Krise der Fall war.

Das Problem ist hier allerdings, dass die Schweizerische Nationalbank als «Lender of Last Resort» im letzten Jahr mit ihren Riesenverlusten ein riesiges Defizit eingefahren hat. Die UBS oder überhaupt eine Schweizer Bank kommt als «Lender of Last Resort» kaum in Frage, denn wo sollte sie die Reserven herholen, um nicht nur für ihre eigenen Verbindlichkeiten geradezustehen, sondern auch noch für diejenigen der CS. Auch mit dem CS-Wunderkind Iqbal Khan dauern Wunder bekanntlich etwas länger. Ein Loch von Vermögensabflüssen von teilweise angeblich über CHF 10 Mia. pro Tag zu decken oder das Leck mit ihrer Glaubwürdigkeit zu stopfen, dürfte auch die UBS wohl kaum fertigbringen. Wenn die Credit Suisse ein Liquiditätsproblem hat, dürfte es durch die Übernahme also kaum gelöst sein.

Wohin fliessen diese gigantischen Geldmengen bzw. wer veranstaltet diesen Bank Run? Herr und Frau Schweizer dürften es wohl kaum sein. Zu diskutieren, wer für die Abflüsse verantwortlich ist, scheint aber ein Tabuthema zu sein. Das überrascht, die Vermögensabflüsse begannen ja nicht erst in den letzten Tagen, sondern bereits im letzten Sommer. Und eigentlich gibt es deutliche Hinweise, weshalb das «graue Nilpferd» als erstes die Credit Suisse und die Silicon Valley Bank auf die Hörner genommen hat, neben den beiden Cryptobanken Silvergate und Signature.

Im Fall der Schliessung eines REIT von Blackstone, die in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle spielt, wurde rapportiert, dass 70% der Rückzugsanträge aus Asien – sprich aus der Volksrepublik China – stammten. Zahlen für die Credit Suisse sind nicht bekannt. Es ist aber eine naheliegende Möglichkeit, dass die chinesische Klientel – vorab die chinesischen «Prinzlinge» – mit der Angst zu tun bekommen haben und versuchen, mindestens einen Teil ihres Vermögens in Sicherheit zu bringen. Diese Angst dürfte nach dem Verschwinden von Bao Fan (China Renaissance), den kürzlich im Rahmen der «zwei Sessionen» angekündigten Verschärfung der Finanzaufsicht und zuletzt mit der Verhaftung von Guo Wengui noch grösser geworden sein. Dass es Xi Jinping und seiner rechten Hand Li Qiang mit der Repatriierung von ins Ausland geflossenen Geldmitteln bitterernst ist, dürfte inzwischen jedem klar geworden sein, der ein klein wenig Ahnung von China und der laufenden Endlos-Soap «General Hostilities» hat. Als Bank oder als Bankkunde hier zwischen die Fronten zu geraten, ist keine gute Idee.

Die Credit Suisse ist (wie andere Banken auch) berühmt-berüchtigt dafür, in die «Sons and Daughters-Programme» involviert gewesen zu sein, mit denen die Prinzlinge – die Sprösslinge der chinesischen Kader – mit Stellen bedacht wurden. Mit ihren zwei chinesischen Verwaltungsratsmitgliedern hat sich die Credit Suisse möglicherweise im zwischen verschiedenen Fraktionen tobenden Machtkampf auf die «falsche» Seite gestellt. Davor, dass die Credit Suisse im Zusammenhang mit der Ernennung von Jin Keyu möglicherweise ein Vabanquespiel betrieb, wurde hier schon vor rund einem Jahr erläutert. Ob die UBS, die wie die CS versucht, unter Berufung auf die schweizerische Neutralität zwischen den USA und Chinna zu lavieren, in dieser Hinsicht besser aufgestellt ist, ist eine offene Frage.

Wenn die Credit Suisse tatsächlich nur noch einen Wert von 25 oder 50 Rappen Rappen pro Aktie aufweist, kann wohl keine Rede mehr davon sein, die Credit Suisse sei «Too Big to Fail». Wenn sich nicht nur die UBS sondern alle anderen Konkurrenten derart zieren, sich das Geschäft und die Mitarbeiter (oder wenigstens einen Teil davon) unter den Nagel zu reissen, muss wohl eher davon ausgegangen werden, dass die Credit Suisse «Too Insignificant to Swallow» ist.

«Angebote» wie dasjenige des selbsternannten «Blockchain-Unternehmers» und «Diplomaten» Justin Sun (孙宇晨), der per Twitter $1,5 Milliarden (Sand Dollar?) für die Credit Suisse bot, dürften geeignet sein, den Ruf der Credit Suisse und der Schweiz als «one of the most crypto-friendly countries in the world» endgültig in den Dreck zu ziehen, zumal er auch noch die letzten chinesischen Klienten in die Flucht schlagen dürfte, da Justin Sun als Zögling des in Ungnade gefallenen Jack Ma gezählt wird. Kein Wunder, hat sich die UBS doch noch breitschlagen lassen, die CS zu übernehmen, damit eine Diskussion über diesen Vorschlag zum Vornherein abzublocken.

Nur stellt sich auch nach der UBS-Übernahme die Frage, ob diese Verwicklungen dazu führen, dass die Credit Suisse inzwischen statt «Too Big to Fail» inzwischen «Too Toxic to Not Let Fail» geworden ist. Dass Schweizer Nationalbank bzw. die Schweizer Bürger für die Forderungen von chinesischen «Ultra High Net Worth Individuals» gerade steht, ist wohl keine gute Idee. Ein Konkurs bzw. eine Nachlassstundung – einschliesslich der für diesen Fall vorgesehenen Abspaltungen etwa des Schweizer Geschäfts – ist zwar keine schöne Sache, aber vielleicht immer noch besser als die kopf- und planlosen Nacht- und Nebelaktionen.


Dr. iur Maja Blumer, LL.M. (Tsinghua) hat in der Schweiz, in der Volksrepublik China und in Taiwan studiert. Sie ist als Rechtsanwältin tätig.