Katapultiert sich die Schweiz in die internationale Isolation?

Seit wenigen Wochen sitzt die Schweiz am Tisch der «Grossen» im UN-Sicherheitsrat. Gleichzeitig scheint es, dass das Unverständnis gepaart mit einer gewissen Nachsichtigkeit im Ausland bezüglich der zögerlichen Haltung der Schweiz, wenn es darum geht, Russland die Stirn zu bieten offener Kritik gewichen ist. Erst äusserte sich der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Dann hieb die bekannte französische «Le Monde» in die gleiche Kerbe. Und schliesslich machte die neue Schweizer Botschafterin im Iran, welche verkleidet wie eine schwarze Kräne bei den iranischen Mullahs ihren Kotau machte, sogar im fernen Indien Schlagzeilen.

von Maja Blumer, von 23. Februar 2023

Ich muss zugeben, ich habe zeitlebens mit dem Gedanken gespielt, in den diplomatischen Dienst einzutreten. Mir schien, es könne keine schönere Aufgabe geben, als in eine fremde Kultur eintauchen und interessante Menschen kennenlernen zu können, und gleichzeitig die Interessen seiner Heimat vertreten zu können. In den letzten Tagen war ich zum ersten Mal froh, dass dieser Plan gescheitert ist.

Dass der scheidende Schweizer Botschafter in Beijing China für sein Verhalten hinsichtlich seiner Koreapolitik belobigte, konnte man ja vielleicht noch als sprachliches Missverständnis abtun. Immerhin hat die Schweiz seit 2016 (Stand:2021) gerade mal drei Mitarbeiter für den diplomatischen Dienst rekrutiert, die Chinesisch sprechen und über die Erweiterung der «China Kompetenz» wird auf politischer Ebene noch debattiert.

Auch über die Haltung der Schweiz im Ukrainekrieg wird immer noch debattiert. Hier scheint im Ausland langsam der Geduldsfaden zu reissen.

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen griff die Schweiz im Hinblick auf ihre angeblich neutrale Haltung frontal an und bezeichnete das schweizerische Neutralitätskonzept als Relikt aus einem vergangenen Jahrhundert; wenn die Schweiz von russischer Seite «Brownie Points» erwartete, wurde sie enttäuscht: auch Russland hielt die Schweiz nicht so ganz neutral und griff sie deshalb im Sicherheitsrat an.

Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck hieb in die gleiche Kerbe, und die französische «Le Monde» doppelten am 18. Februar 2023 nach. In der Tat ist es schwer erklärbar, wieso die Nato-Länder und weitere Alliierte in der Ukraine die Kastanien aus dem Feuer holt, während die Schweiz von florierenden Waffenverkäufen und den blockierten Oligarchengelder (die man ja auch nicht herausgeben will), doppelt profitiert.

Eine vielleicht gewichtigere Grenze in der internationalen Wahrnehmung überschritt schliesslich die Schweizer Botschafterin in Teheran, die von Kopf bis Fuss in einen schwarzen Tschador verhüllt in Begleitung iranischer Mullahs Sightseeing betrieb, um sich über die Kultur, Kunst und Architektur eines Schreins belehren zu lassen. Wie es dazu kommen konnte, dass eine Schweizer Botschafterin auf diese Art Propaganda für ein Regime betrieb, dem das Blut von unzähligen Frauen an den Händen klebt, die sich gegen ebendiesen Tschador auflehnen, ist unverständlich und unentschuldbar.

Der Auftritt der Schweizer Botschafterin warf nicht nur bei der iranischen Opposition Wellen, sondern auf der ganzen Welt. In Indien berichtete etwa die bekannte Journalistin Palki Sharma über den Vorfall:

Es scheint, als sei die Schweiz in einer Abwärtsspirale gefangen, welche sie direkt zurück in die Nachkriegsjahre katapultiert, wo das Lavieren der Schweiz zwischen Hitlerdeutschland und den Alliierten mit dazu geführt hatten, die Schweiz in die internationale Isolation zu treiben. Dies hallte noch in den Neunzigerjahren nach, als die Schweiz bezüglich der «nachrichtenlosen Vermögen» von Holocaustopfern durch internationalen (vor allem US-amerikanischen) Druck gezwungen wurde, Reinen Tisch zu machen. Die Glaubwürdigkeit der Schweizer Diplomatie dürfte bis auf weiteres verspielt sein.

Die scharfen Worte, welche Palki Sharma verwendet, gelten sinngemäss auch bezüglich anderen Menschenrechtsverletzungen:

The tone-deaf optics of the Swiss ambassador have ironically lifted the veil on Western hypocrisy on women’s rights, because the, road to righteousness for Europe and America is paved with convenience. And as they continue with their platitudes and sermons, the Iranian regime ist going to extremes to snuff out the protests.

Nachtrag: Kurz nach der Veröffentlichung dieses Beitrags kursierten Nachrichten, dass die Spannungen zwischen Israel und Iran weiter zu eskalieren drohen, es war in noch unbestätigten Berichten von Schüssen und Explosionen um Karaj die Rede, wo sich Anlagen des iranischen Atomwaffenprogramms vermutet werden. Jemand, der in diesem Konflikt eine Vermittlerrolle einnehmen kann, der von beiden Seiten als glaubwürdig neutral eingestuft wird, wäre dringend von Nöten. Die Schweiz und ihre Botschafterin in Teheran scheidet schon einmal aus.


Dr. iur. Maja Blumer, LL.M. (Tsinghua) hat in der Schweiz, in der Volksrepublik China und in Taiwan studiert. Sie ist als Rechtsanwältin tätig.