Die philippinische Durian-Diplomatie und das Revival von Subic Bay

Der kürzliche Besuch des philippinischen Präsidenten Marcos jr. wurde als Durian-Diplomatie verschrien. Insbesondere dass der chinesische Präsident gnädigerweise den philippinischen Fischern helfen wollte, in ihren eigenen Gewässern zu fischen, führte in der philippinischen Öffentlichkeit zu einem Aufschrei. Dass Präsident Xi Jinping versprach, ein paar Durians aus den Philippinen importieren zu lassen, machte die Sache auch nicht besser. Auch wenn die Durian-Diplomatie zunächst als Versagen gewertet wurde, Rückgrat zu zeigen, scheint sie nun vor allem eines bewirkt zu haben: eine Stärkung der Allianz zwischen den USA und den Philippinen.

von Maja Blumer, 8. Februar 2023

Der Hofphotograph von Präsident Xi Jinping sendet eine deutliche Botschaft: Die pummelig scheinende philippinische First Lady Liza Araneta-Marcos mit einem Anzug, den irgendjemand aus dem Rotkreuzsack gerettet hat, der chinesische Präsident Ferdinand Marcos jr. wie ein Zinnsoldat in Habachtstellung neben dem überragenden chinesischen Präsidenten zwar ohne Krone aber mit Kronleuchter und seiner eleganten Frau – ein für den Gast derart unvorteilhaftes Bild muss man zuerst einmal zustande bringen. (Bild: https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/zxxx_662805/202301/W020230104860326188119.jpg)

Eigentlich sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Welche Frau der Welt würde sich wie die philippinische First Lady ablichten lassen, die auf diesem Photo des chinesischen Hofphotographen wie ein dickes kleines Dummerchen erscheint, welches ihren schlecht sitzenden Anzug irgendwo aus dem Rotkreuzsack gezogen hat, nur um ihre chinesische Rivalin noch besser dastehen zu lassen, als ohnehin schon. Nun, das war vielleicht nicht Absicht, Männer bemerken solche Dinge vielleicht nicht. Die Anwältin Luisa «Liza» Araneta-Marcos die auf «normalen» Fotos nicht nur sehr elegant daher kommt, sondern auch als Architektin des Wahlerfolges des philippinischen Präsidenten im letzten Frühjahr gilt, dürfte den Affront aber sehr wohl bemerkt haben.

Das war allerdings nicht die einzige Panne bezüglich der Durian-Diplomatie des philippinischen Präsidenten und der Xi-plomatie seines chinesischen Amtskollegen.

Mehr Aufsehen erregte in den Philippinen, dass Präsident Xi Jinping angeblich zu einem Kompromiss Hand bieten wollte, um die Leiden der philippinischen Fischer zu reduzieren. Das geriet den Philippinos eindeutig in den falschen Hals. Weshalb sollten die Fischer einen «Kompromiss» schliessen müssen, um in ihren eigenen Gewässern fischen zu dürfen?

Wieso sollte Xi Jinping den philippinischen Fischern «helfen», in ihren eigenen Gewässern fischen zu dürfen? Traditionelles Fischerboot bei El Nido, Palawan, Philippinen (Bild: privat)

Ebenfalls ziemlich herablassend klang das offizielle Statement, China würde den Import philippinischer Durians zulassen, «wenn gewisse Bedingungen erfüllt» seien. Welche «Bedingungen» gemeint sind, erfährt man nicht so genau. Jedenfalls sollen sage und schreibe exakt 9’696 direkte Stellen und 1’126 indirekte Jobs sollen kreiert werden, wenn und falls die Volksrepublik China den Import philippinischer Durians tatsächlich zulässt. Wie das zu einer Bonanza für die philippinischen Durian-Produzenten werden soll, wie die chinesische Propaganda vorrechnet, ist irgendwie schwer vorstellbar.

Nur um diese Zahl der Durian-Exporte ins Verhältnis zu setzen: Die offizielle Zahl der Werktätigen in den Philippinen umfasst 44’242’102 Personen. Eines der grössten Unternehmen in den Philippinen, die San Miguel Corporation, die unter anderem Bier braut, beschäftigt 47’230 Mitarbeiter. Rund 380’000 philippinische Seeleute stellen rund einen Viertel der Besatzungen aller Handelsschiffe weltweit. In OECD-Ländern sollen 240’000 philippinische Krankenschwestern arbeiten. Rund 1,4 Millionen Philippinos sollen im Bereich «Business Processing Outsourcing» (BPO) arbeiten, was weltweit einem Marktanteil von 10-15% entspricht.

Für diejenigen, die das Glück oder das Pech haben, noch nie einer Durian begegnet zu sein: Es handelt sich um eine penetrant nach Fäkalien stinkende tropische Frucht, die auch als Stink- oder Kotzfrucht bezeichnet wird. Für westliche Nasen ist die Vorliebe für die Stinkfrüchte ziemlich unverständlich. Aber asiatische Vorlieben sind da offensichtlich anders. Und so kommt es, dass die Durian-Diplomatie eine ziemlich lange Tradition hat. Sie wird auf die diplomatische Mission des thailändischen Premierministers Kukrit Pramoj 1975 zurückgeführt, der bei seinem Besuch in Beijing neben 160 thailändischen Delegierten 200 Durians sowie Bier und Whiskey, um die Freundschaft zwischen den beiden Ländern zu zementieren. Das scheint ganz gut funktioniert zu haben, jedenfalls ist Thailand eines der wenigen Nachbarländer Chinas, das mit der Volksrepublik China nicht in einen Grenzkonflikt verwickelt ist.

Vielleicht lag es gar nicht an den Durians?.Hätte Marcos besser ein paar Flaschen San Miguel Bier mitgebracht? Oder noch besser über Zwiebeln verhandelt? Da besteht nämlich in den Philippinen ein echtes Problem zu bestehen, das für Aussenstehende schwer zu begreifen ist. Angeblich soll Zwiebelschmuggel aus China den Markt zerstört haben, so dass nun ein Kilo Zwiebeln CHF 13 Franken kostet – angeblich mehr als ein Kilo Steak (wobei dann wohl der Fleischpreis zu diskutieren wäre). Übrigens: der Kilogrammpreis für Durians sich in einer ähnlichen Grössenordnung, nachdem eine Überproduktion in den letzten Monaten zu einem starken Preiszerfall geführt hat.

Ob Fische oder Durians oder Zwiebeln, die Durian-Diplomatie stinkt jedenfalls zum Himmel und konnte jedenfalls eine (noch) grössere Katastrophe für die Xi-plomatie des chinesischen Präsidenten nicht verhindern:

Während die ganze Welt nämlich vom chinesischen Spionageballon oder Lufschiff oder was-auch-immer-Flugobjekt über den USA abgelenkt wurde und Staatssekretär Blinken seinen lange angekündigten Besuch, fand in den Philippinen ein wichtiges Treffen zwischen dem amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III und seinem philippinischen Kollegen Carlito Galvez. Das Treffen markiert eine Kehrtwende bezüglich der pro-chinesischen Politik der vorherigen Regierung hin zum alten Bündnispartner USA.

Im Treffen zwischen Austin und Galvez wurde gemäss Pressemitteilung vom 2. Februar 2023 vereinbart, dass die gemeinsamen Patrouillen im südchinesischen Meer wiederaufgenommen würden und dass vier neue Basen für das «Enhanced Defense Cooperation Agreement (EDCA)» geöffnet werden würden, die der Zusammenarbeit zwischen den zwei Streitkräften dienten. Im Hinblick auf «regionale Krisen» soll die «Allianzplanung» verstärkt werden

Es lässt sich unschwer erkennen, dass es sich bei der Allianzplanung unter anderem um die Allianz zwischen den Philippinen und Japan geht. Es bestehen schon seit Jahren enge Beziehungen zwischen den beiden Ländern, und in militärischer Hinsicht wurde diese noch verstärkt, indem Tokyo den philippinischen Streitkräften mit Überwachungsflugzeugen, Küstenwachschiffen, Radar etc. zu günstigen Konditionen unter die Arme greift. Zudem nimmt Japan neuerdings an den jährlichen Balikatan-Manövern teil, die neben amerikanischen und philippinischen Teilnehmern auch Australien beteiligt ist. Der nächste Termin ist im April geplant.

Die Durian-Diplomatie, welche die Philippinen im Hinblick auf China angewendet hat, bringt eine alte Schwäche der chinesischen Aussenpolitik zum Vorschein, die sich weit in die Qing-Dynastie zum Ausdruck. Ob nun Whisky oder Durians, Bier oder Uhren offeriert werden, immer handelt es sich um den symbolischen Kotau eines Vasallenstaats vor dem übermächtigen Herrscher. Ein Kotau, der regelrecht erwartet wird, weil man in China gar nichts anderes erwartet, als dass sich der fremde Besucher dem Willen des chinesischen Herrscher unterzieht, und nicht nur das, sondern dass sich das Volk des fremden Herrschers dem Willen des obersten Führers unterzieht.

Dieses Konzept funktioniert in einem Vasallenstaat wunderbar. Wenn ein Herrscher wie Ferdinand Marcos jr. nicht allein entscheiden kann, sondern auch andere etwas zu sagen haben, kommt das hingegen selten gut. Und in einer Demokratie entscheidet nun eben das Volk, und eben Leute wie Verteidigungsminister Galvez und andere Amtsträger, deren Aufgabe es ist, sich nicht mit einigen Durians abspeisen lassen, sondern eben Allianzen zu schmieden, die dem Land dienlich sind.

Subic Bay, die berühmte Militärbasis der USA nordwestlich von Manila, die 1991 nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo geschlossen wurde, könnte so gesehen ein Revival erleben, so wie die 1992 geschlossenen «Marine Barracks» in Guam am 26. Januar 2023 wiedereröffnet wurden. Für ein solches Revival spricht, dass das Werftareal der in Konkurs gegangenen koreanischen Hanjin im Frühling 2022 in die Hände der amerikanischen Equity Firm Cerberus übergegangen ist. Allerdings hoffentlich nicht im Sinne eines Revivals der Zeiten, in denen die Philippinen erst unter Spanischer und dann (von 1898 bis 1946) unter amerikanischer Kolonialherrschaft stand. Hoffentlich ist auch die auf noch etwas wackligen Füssen stehende philippinische Demokratie so weit, dass sie sich nicht von einigen Durians und auch nicht von geplatzten Ballonen ablenken lässt, sondern selber entscheiden kann, welche Allianzpartner für sie am geeignetsten sind.


Dr. iur. Maja Blumer, LL.M. (Tsinghua) hat in der Schweiz, in der Volksrepublik China und in Taiwan studiert. Sie ist als Rechtsanwältin tätig.

Sonnenuntergang bei El Nido, Palawan, Philippinen (Bild: privat)