Heute am Montagmorgen fand er tatsächlich statt, der Empfang der Schweizer Parlamentarierdelegation bestehend aus Fabian Molina, Nicolas Walder, Mustafa Atici, Yves Nidegger und Léonore Porchet. Und er ging ganz normal über die Bühne. So wie alle anderen Parlamentarierbesuche dieser Art in Taiwan wie in Regierungspalästen auf aller Welt vonstatten gehen. Erstaunlich allerdings, wie viel Interesse dieser Besuch jedenfalls gemessen an den «Views» auf dem Youtube-Kanal der taiwanesischen Präsidentin Tsai Ing-wen auf sich zog. Lag das einfach an der Bombendrohung, mit der ein «Little Pink» den Besuch zu vereiteln drohte? Oder gab es etwas Spezielles zu sagen?
von Maja Blumer, 6. Februar 2023
Nun, zum Glück kann jedermann sich selbst ein Bild davon machen, denn wie gesagt hat die taiwanesische Präsidentin einen Youtube-Kanal. Einige Highlights:
Die Begrüssung durch Tsai Ing-wen
In Ihrer Begrüssung stellte Präsidentin Tsai Ing-wen fest, dass die angereisten Parlamentarier aus verschiedenen Parteien und Sprachregionen stammten, was die gesellschaftliche und kulturellen Vielfalt der Schweiz zeige. Die bilateralen Beziehungen seien in den letzten Jahren enger geworden, die Belange Taiwans seien im Schweizer Parlament vermehrt zur Sprache gekommen. Insbesondere die von Molina, Walder und Atici im Parlament eingereichten Motionen und die Unterstützung hinsichtlich der Stärkung der bilateralen Beziehungen wurden von der Präsidentin mit einem besonderen Augenmerk bedacht, ebenso die mitunterzeichneten Schreiben, in welchen die verstärkte Einbindung Taiwans in internationale Organisationen verlangt wird. Tsai Ing-wen betonte in wirtschaftlicher Hinsicht, dass beide Länder Handelsnationen seien, deren Industrien sich ergänzten. Und sie betonte das gemeinsamen Werte von Freiheit und Demokratie, für welchen die Schweiz und Taiwan stehen. Taiwan stehe an der Frontlinie zur Verteidigung der Demokratie. Präsidentin Tsai gab schliesslich der Hoffnung Ausdruck, die Parlamentarierdelegation könne dank ihrer Reise ein vertieftes Verständnis Taiwans entwickeln.
Das Statement von Nationalrat Molina
Nationalrat Fabian Molina setzte den Besuch in den weiteren Kontext des Ukrainekriegs. der gezeigt habe, wie fragil die regelbasierte multilaterale Weltordnung ist, und wie dünn der Faden ist, an dem der Friede hängt. Autoritarismus und Krieg dürften nicht die Überhand gewinnen.
Auch Molina beschwor die gemeinsamen Werte Taiwans und der Schweiz. Die hohen und schönen Berge sowie die tiefe Verwurzelung in Traditionen in der Schweiz wie auch in Taiwan konnten nicht unerwähnt bleiben. Zutreffenderweise weist Molina darauf hin, dass sowohl Taiwan als auch die Schweiz auf Einwanderung, Forschung und technologische Innovation angewiesen seien, um den relativen Mangel an Rohstoffen zu kompensieren. Beide Demokratien hätten viel aus diesen Voraussetzungen gemacht, sowohl mit Einfallsreichtum als auch Pragmatismus. Auf der Basis dieses Einfallsreichtums und Pragmatismus sollten auch die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Schweiz und Taiwan im beidseitigen Interesse vertieft werden.
Nationalrat Molina erläuterte, dass das Parlament den Bundesrat 2021 beauftragt habe, den Weg zu einer Vertiefung der Beziehungen in einem Bericht aufzuzeigen (gemeint ist das Postulat von Nicolas Walder und Hans-Peter Portmann vom 25.06.2021, welches vom Nationalrat am 14.09.2021 angenommen wurde). Anlässlich des Besuches wollen die Parlamentariers bezüglich dieses Auftrags am Ball bleiben.
Während die Schweiz während zwei Jahren einen Sitz im UN-Sicherheitsrat einnehme, habe sie eine gesteigerte Verantwortung hinsichtlich der Sicherstellung des Weltfriedens; auch in diesem Geiste finde der Besuch in Taiwan statt. Es sei absolut entscheidend, dass die Differenzen zwischen Taiwan und der Volksrepublik China friedlich und durch Dialog gelöst werden. Irgend etwas anderes wäre inakzeptabel.
Zum Schluss dankte Molina Präsidentin Tsai und der taiwanesischen Regierung für den Empfang und die Zeit, die sie den Schweizer Besuchern gewidmet haben und hielt fest:
«Friendship between peoples is the best recipe for a better future.»
Die Worte von Nicolas Walder
Nationalrat Nicolas Walder begrüsste die Anwesenden mit dem Morgengruss auf Mandarin (mit französischem Akzent aber vom Übersetzer verstanden), mit 早安 (zǎo’ān), eine Grussformel, welche aus den chinesischen Worten «Morgen» (早上) und «Frieden» (安靜) bzw. «Sicherheit» (安全) zusammengesetzt ist. Durchaus passend, wenn man bedenkt, dass dieser Besuch vor dem Hintergrund einer Bombendrohung stattfindet.
Walder sprach von einem weiteren Beitrag bezüglich Freundschaft und Unterstützung hinsichtlich des mutigen, berechtigten Kampfs des taiwanesischen Volkes um seine Autonomie und Demokratie zu erhalten. Er wies darauf hin, dass die Parlamentsgruppe Schweiz-Taiwan eine der erfolgreichsten Freundschaftsgruppen des Parlaments sei, welche mehr als 15% der Parlamentarier aus beiden Kammern repräsentiere (was Walder bei einem Besuch der Volksrepublik China sagen würde – Walder ist nämlich auch Mitglied der Freundschaftsgruppe Schweiz-China, was neben der Republik China wohl auch die Volksrepublik China umfassen dürfte, kann dahingestellt bleiben).
Neben den gemeinschaftlichen Werten, insbesondere hinsichtlich des Minderheitensschutzes, wies Walder auf den Austausch zwischen den beiden Ländern hin, der zwar weit davon entfernt sei, «negligeable» zu sein, aber gleichwohl grosses Wachstumspotential aufweise. Konkret könnten die verlangten Massnahmen zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehung beispielsweise die Form eines Wirtschaftsabkommens annehmen, daneben auch die Einflussnahme der Schweiz hinsichtlich des verstärkten Einbezugs Taiwans in internationalen Organisationen wie z.B. der WHO.
Abgesehen von ethischen Fragen stellten sich auch völkerrechtliche Probleme hinsichtlich Ländern wie Russland und der Volksrepublik China, welche zunehmend die Stabilität der Welt gefährdeten. Walder betrachtet es im Anbetracht dieser Gefahr als in unserer Pflicht und in unserem strategischen Interesse liegend, sich Ländern mit gleichen Werten anzunähern:
«In the face of our threats, it is our duty and in our strategic interest to draw closer to like-minded countries; those countries that share the values of democracy, freedom and justice. Countries that are open to the world, to dialogue, to economic cooperation, and to cultural exchanges, exactly like Taiwan.»
Dr. iur. Maja Blumer, LL.M. (Tsinghua) hat in der Schweiz, in der Volksrepublik China und in Taiwan studiert. Sie ist als Rechtsanwältin tätig.
